Zuhause ist, wo das Zelt ist

Juli 26, 2018 Dokumentarfilm, Fotoessay
Sabrina Krabbenhoeft

Es ist 6.30 Uhr, eigentlich zu früh um aufzustehen. Ich bin auf dem Campingplatz in Glentrool, am Rande des Galloway National Parkes. Glentrool liegt am Southern Upland Way, einer Wanderroute die sich von Schottlands Westküste bis zur Ostküste erstreckt. Die vor mir liegende Wanderetappe bis St. Johns Town of Darly (35km) bietet kein Übernachtungs,-und Proviantangebot. Wild campen ist in Schottland erlaubt. Mir wird auf dem Campingplatz mehrfach versichert, das ich als Frau allein im Zelt gut aufgehoben sei (der Vergleich zum viel gefährlicheren Leben in der Stadt wird angeführt, beruhigt mich allerdings wenig).

Beim Frühstück treffe ich Steven, einen Engländer der sich in der Gegend auskennt. Er sieht sich meine geplante Route an und erkennt das ich größtenteils durch bewaldetes Gebiet laufen werde. Vorteil: Man wird mich nicht sehen, wenn ich mein Zelt zwischen Bäumen aufschlage. Nachteil: Der Boden ist selten ebenerdig, und es kann eine Weile dauern bis ich eine geeignete Stelle gefunden habe. Von einer Übernachtung im Bothy, dem Equivalent zur deutschen Schutzhütte in den Bergen, rät er mir dringend ab. Bothys sind stabil gebaut, oft haben sie eine Feuerstelle, aber weder Elektrizität noch Wasser. Die Tür des Hauses steht jedem offen. Bothys werden mehr und mehr von Jugendlichen für Partyzwecke genutzt und selten sauber hinterlassen. Auch Landstreicher bleiben gern ein paar Nächte.

Inzwischen ist es 9.00 Uhr. Ich beeile mich mein Zelt abzubauen. Dabei bricht eine der Zeltstangen entzwei. Bei einem Zelt mit nur zwei Bögen ein kleines Disaster. Ich setze meinen Rucksack auf. Zweites Disaster- er fühlt sich, bepackt mit Wasser und einer Dose Baked Beans, zu schwer an. Die ersten 4 km spiele ich mit dem Gedanken an Umkehr, dann wird der Rucksack leichter. Ich schiebe es auf die Landschaft. Farnwiesen und Waldboden tragen mich vorwärts.

Der Southern Upland Way ist weitgehend ausreichend beschildert. Mein Plan ist mindestens 25 km am ersten Tag zu laufen, damit ich am kommenden Morgen, nach nur weiteren 10 km, St.Johns Town erreiche. Von dort gehen Busse nach Dumfries. Ich habe in Dumfries ein Hotelzimmer gebucht um eine Nacht ausschlafen zu können. Das Wetter ist sonnig, zu heiss. Die Schotten haben den heissten Sommer seit 1976. Bauern müssen ihre Felder wässern, die berüchtigen Midges (kleine Stechmücken) hat die Sonne dahingerafft. Sie sollen zahlreiche Wanderer am lebendigen Leibe ausgesaugt haben…

Nach vier Stunden lege ich eine Pause ein. Noch 26 km sagt meine App. Kein Problem, bis jetzt habe ich nicht einmal Appetit auf meine Dose. Zwischendurch filme ich Sequenzen des Weges und hole Wassernachschub aus den Bächen. Bei einem Dreh befestige ich mein Gorillastativ an einem Brückenpfosten. Ich laufe den Weg zurück und professionell auf die Kamera zu. Während ich mich nähere lockert sich ein Bein des Statives und die gesamte Konstruktion rutscht aus der Halterung den Abhang Richtung Bach hinab.

Distaster Nr.3., Glück im Unglück, die Kamera landet im grassbewachsenen Rand, die Beine des Statives ragen empor. Ich komme mit dem Schrecken davon. Der Waldweg ist zur Straße geworden, rechterhand entdecke ich ein Steinhaus in den Hügel. Das Bothy. Herrliche Lage, über einem See. Unten allerdings parken zwei Autos. Bei einem sind die Scheiben eingeschlagen. Mir gruselt es irgendwie mehr vor den Menschen als der Natur.

Das Bothy ist oben am Waldrand zu sehen

Am Himmel ziehen Wolken auf, Regen bleibt aus. Ich würde gern die Straße hinter mir lassen, statt dessen komme ich in forstwirtschaftlich genutztes Gebiet. Das Geräusch von Baumaschinen dringt heran und entpuppt sich als Walzenkolonne. Kein Ort zum Übernachten jedenfalls. Noch 16 km bis St. John. Ich will den Ort jetzt doch am selben Tag zu erreichen. Müde bin ich nicht, und es ist eh zu früh das Zelt aufzuschlagen.

Über eine Schafweide geht es nochmal auf schmalen Pfaden durch Wald und Wiesen. Soviel Wiese, dass ich die Orientierung verliere und wohl auch vergessen wurde Wegweiser aufzustellen. Leichte Panik.

Southern Upland Way

Langsam geht mir die Luft aus. Während ich auf einem Stein verschnaufe entdecke ich die gelben Marker des SUW. Noch 6 km…im letzten Abschnitt finden sich die ersten Farmhäuser. Eine Weide wäre geeignet das Zelt aufzubauen. Noch ein Hügel. Auf der Spitze angekommen sehe ich unter mir St. Johns Town liegen. Kurz entschlossen baue ich mein Zelt auf.

Die Nacht ist ruhig, und ich schlafe gut. Morgens packe ich meine sieben Sachen zusammen und stehe um 8.30 Uhr an der Bushaltestelle in St.Johns. Das Einzige was mir fehlt ist eine heisse Dusche…

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