80-Jähriger aus Nordenham fährt mit dem Schlauchboot bis nach Polen und zurück

(erschienen am 2. August)

Es klingt wie ein Märchen: Ein 80-Jähriger erfüllt sich den Traum, mit dem Schlauchboot in die Stadt seiner Kindheit zu fahren. Er schläft im Zelt und auf Parkbänken, da wo es sich anbietet. Und er erlebt jede Menge Abenteuer und Hilfsbereitschaft.

„Ich muss dem Wasser nah sein“, sagt Horst Wittenberg. Der 80-jährige Nordenhamer ist gerade von seiner 1500 Kilometer langen Solo-Fahrt mit dem Schlauchboot zurückgekehrt. Auf dem Tisch vor ihm liegt sein durchweichtes Tourenbuch.


„Die Fahrt habe ich seit sieben Jahren geplant. Einmal im Leben wollte ich mit dem Boot Swinemünde erreichen.“ Horst Wittenberg ist in Stettin geboren und floh als Zweijähriger mit der Großmutter von Swinemünde über die Ostsee in den Westen. Seitdem ist er nie mehr dort gewesen.
„Meine Tochter wollte mir die Reise ausreden, aber ich habe mich nicht beirren lassen. Ich bin 48 Jahre als leitender Schiffsingenieur zur See gefahren. Ich war fast überall auf der Welt und kenne mich mit dem Meer aus.“

Er sitzt bis zu zwölf Stunden am Tag im Boot

Am 10. Juni startet Horst Wittenberg mit einem Schlauchboot von 3,80 Meter Länge, bestückt mit einem 9,9-PS-Yamaha-Motor, seine Fahrt am Großensieler Hafen. Mit an Bord sind ein 90-Liter-Benzinkanister, Notproviant, ein Erste-Hilfe-Kasten und ein Gaskocher, den er nur selten brauchen wird.
Auf der Weser geht es Richtung Bremen bis nach Minden. Es ist heiß an diesen Tagen. Horst Wittenberg steht morgens um 4 Uhr auf und fährt bis zu zwölf Stunden auf dem Wasser. Schlafplätze findet er in den Yachthäfen, wo er sein Zelt aufbaut. Oder er schläft unter der Persenning auf seinem Boot „Rocky“.
In der Ortschaft Idensee erzählt er einem Ehepaar von seiner unglaublichen Reise. Die beiden laden ihn daraufhin zum Abendessen ein und verfolgen seine Etappen im Netz.


Auf dem Mittellandkanal wird es zum ersten Mal ungemütlich. Schubboote fahren an ihm vorbei. Die Schiffe erzeugen kräftige Wellen, und Wittenberg hat mit seinem schwankenden Schlauchboot zu kämpfen. Als er gerade seine Seekarte weglegen will und dabei die Lenkstange seines Motors einen Moment loslässt, erwischt ihn eine Welle und das Boot knallt auf die Steine der Uferbefestigung. Dabei bricht der Propeller des Motors ab. Zum Glück bleibt das Boot selbst unversehrt. „Ich habe den Reservepropeller aufgezogen und bin in den nächsten Hafen gefahren. Ich brauchte nun einen neuen Ersatzpropeller. Das war meine Absicherung, falls etwas schiefgeht“, berichtet er.


In Warfenbüttel trifft er auf einen hilfsbereiten Hafenmeister. Der Mann bestellt dem Gestrandeten einen neuen Propeller und lässt ihn auf dem Gelände sein Zelt aufbauen. Am 19. Juni feiert Horst Wittenberg seinen 80-zigsten Geburtstag zusammen mit dem Hafenmeister. Dann setzt er seine Reise fort.

In Swinemünde trifft er den Bürgermeister„Segler warnten mich vor den Tücken des Stettiner Haffs. Zwar ist das Wasser flach, aber es gebe kurze Wellen, die sich schnell aufbauen und das Boot umkippen können. Ach, lass die mal reden, dachte ich. Nicht, dass noch jemand die Wasserschutzpolizei holt und ich abbrechen muss.“
Als er am nächsten Morgen startet, ist die See spiegelglatt. Doch dann kommt alles anders als geplant. „Die Wellen kamen von links, und das Boot schleuderte hin und her. Ich musste mich mit dem Kompass durch die Wellen navigieren.“ Erschöpft und durchnässt erreicht er sein Ziel, Swinemünde.
Zurück in der Stadt, aus der er damals floh und die heute die Partnerstadt von Nordenham ist, überreicht er dem Bürgermeister Januzsz Zmurkiewicz eine Flasche deutschen Wein und bekommt im Gegenzug eine DVD und ein Buch über Swinemünde geschenkt.

Ein Schlauchboot in Seenot

Nun geht es weiter über die Ostsee Richtung Warnemünde. Es ist kein Land in Sicht, als Horst Wittenberg feststellt, dass der rechte Schlauch seines Bootes Luft verliert. Er versucht an einer Boje festzumachen, um das Leck zu reparieren, doch sein Enterhaken findet keinen Halt. Die See ist zu aufgewühlt. Mit der Fußpumpe bläst er das Boot notdürftig auf und erreicht den Strand von Kühlungsborn.
Die letzte Nacht vor seiner Rückkehr schläft der Seefahrer auf einer Parkbank in Bremerhaven. Am nächsten Morgen erreicht er den Großensieler Hafen. „Das war meine letzte große Reise. Es war gut, aber nochmal brauche ich das nicht“, sagt Horst Wittenberg.

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