Der Tod gehört zum Leben dazu. Dabei spielt auch das Thema Sterbehilfe eine große Rolle. Und es geht um die Frage, ob man selbst bestimmen darf, wann und wie man stirbt. Doch was ist eigentlich erlaubt und was nicht?
Das Thema Sterbehilfe ist schwer zu fassen. Wenige Menschen sprechen gern über den Tod oder was passieren soll, wenn sie durch einen Unfall im Koma liegen. Ist ein Mensch unheilbar oder lange krank, kann zudem der Wunsch entstehen, das eigene Leben zu beenden. 2020 erkannte das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil an, dass „das Recht, sich selbst zu töten, auch die Freiheit umfasse, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten werde, in Anspruch zu nehmen.“ Doch, was bedeutet das?
Die verschiedenen Formen der Sterbehilfe
Grob gesagt, wird zwischen vier Formen der Sterbehilfe unterschieden. Bei der sogenannten passiven Sterbehilfe werden lebensverlängernde Maßnahmen auf Wunsch des Patienten eingestellt. Dazu gehören unter anderen die künstliche Beatmung und Ernährung oder die Gabe von Medikamenten. In Folge tritt der natürliche Tod schneller ein.
Indirekte Sterbehilfe bedeutet, dass ein Patient zum Beispiel schmerzlindernde Medikamente bekommt, auch wenn diese den Tod beschleunigen. Passive und indirekte Sterbehilfe sind in Deutschland erlaubt.
Aktive Sterbehilfe heißt, dass nach genauer Prüfung der Umstände, ein Arzt dem Menschen, der sterben möchte, ein tödliches Mittel verabreicht. Während die aktive Sterbehilfe in Nachbarländern wie den Niederlanden und der Schweiz erlaubt ist, ist sie in Deutschland verboten.
Als Beihilfe zum Suizid wird die Bereitstellung der tödlichen Substanz bezeichnet, die die Person ohne Fremdeinwirkung selbst einnimmt. Rechtlich befindet man sich bei dieser Vorgehensweise in Deutschland in einer Grauzone. Im Sommer 2023 scheiterten zwei Gesetzesentwürfe, die die Basis für die Beurteilung der Ärzte bilden sollten, ob der Sterbewillige seine Entscheidung aus freiem Willen getroffen hat und damit Hilfe in Anspruch nehmen darf.
Braucht man zum Sterben einen Arzt?
Der Allgemeinmediziner Dr. Peter Schmidt sagt: „Ich bin oft von Patienten gefragt worden, ob ich sie beim Sterben unterstützen würde. Seit Anfang meiner ärztlichen Tätigkeit war und ist das ein Thema. Da kommt als Erstes die Patientenverfügung zur Sprache.“
Die Patientenverfügung hält fest, was passieren soll, wenn ein Mensch nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen zu äußern. Auch für Angehörige ist sie ein wichtiges Dokument, um im Zweifelsfall im Sinne des Kranken handeln zu können. Aber wie verhält es sich, wenn jemand fest davon überzeugt ist, sterben zu wollen?
„Jeder hat schon mal gedacht, dass das eigene Leben überhaupt keinen Sinn mehr hat. Da hatte ich Patienten jeden Alters. Hätte es zu dem Zeitpunkt eine leicht zugängliche Möglichkeit gegeben, schmerzlos aus dem Leben zu gehen, wären viele dieser Patienten nicht mehr da. Einige Monate später sind sie froh, noch am Leben zu sein. Bevor über eine assistierte oder aktive Sterbehilfe gesprochen werden kann, muss geklärt sein, ob alle Möglichkeiten der Therapie ausgeschöpft sind. Besteht noch eine Aussicht auf Besserung, dann verbietet sich jede Art von Sterbehilfe“, sagt Peter Schmidt.
Ein aktueller Fall
Aktuell wurde ein Fall von Sterbehilfe am Berliner Landesgericht verhandelt, bei dem ein Arzt einer 37-jährigen Frau den assistierten Suizid ermöglichte. Sie litt seit vielen Jahren unter starken Depressionen. Der Mediziner wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Sollten Menschen nicht das Recht haben, selbst zu bestimmen, wann sie sterben?
„Den Arzt als Sterbehelfer zu instrumentalisieren, ist problematisch. Auch andere Menschen zu involvieren, kann diese überfordern und dauerhaft belasten. Es gibt viele Möglichkeiten, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden. Über Sterbefasten kann man sich umfangreich informieren. Der Verzicht auf Flüssigkeit und Nahrung führt unweigerlich zum Tod. Diese Art aus dem Leben zu gehen, ist qualvoll, aber bei hohem Leidensdruck ein möglicher Weg“, sagt Peter Schmidt.
Jeder Mensch ist wertvoll
„Die Kirche steht der assistierten und aktiven Sterbehilfe ablehnend gegenüber. Wer kann überblicken, was die Folgen der Legalisierung wären? Die Gesellschaft würde bald darüber diskutieren, ob Behinderte oder Kranke lebenswerte Menschen sind. Viele Menschen denken auch über den Tod nach, weil sie einsam sind“, sagt Anke Claßen, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Blexen-FAH.
Für eine Umfrage der niederländischen Universität Utrecht aus dem Jahr 2020 wurden 21.000 ältere Personen zum Thema Sterbehilfe befragt. Etwa 10.000 sagten, dass sie ihr Leben vorzeitig beenden wollen würden, auch wenn sie an keiner ernsthaften Erkrankung leiden würden. 56 Prozent gaben als Grund Einsamkeit an, 42 Prozent die Sorge anderen zur Last zu fallen und 36 Prozent nannten finanzielle Nöte.
„Die Kirche setzt sich für die gottgegebene Würde des Menschen ein. Wir unterstützen die palliative Begleitung Sterbender und die Arbeit der Hospizhilfe“, sagt die Pfarrerin.So ist es in den Niederlanden geregeltIn den Niederlanden ist Sterbehilfe straffrei, wenn sie von Ärzten geleistet wird, die eine Reihe von Voraussetzungen einhalten. Die Person muss den Wunsch nach Sterbehilfe freiwillig äußern, unerträglich leiden, weitere Möglichkeiten der Behandlung ablehnen und ein zweiter Arzt die Einschätzung des behandelnden Arztes bestätigen. Befürworter der Sterbehilfe argumentieren, dass Menschen, die ihr Leben beenden wollen, das Recht auf Selbstbestimmung haben sollten.
„Wie wäre es mit der Lösung, die Situation auszuhalten? Man kann an schwierigen Situationen wachsen. Natürlich gibt es Leid, in dem man überhaupt keinen Sinn sieht. Wichtig ist, sich davon nicht bestimmen zu lassen, sondern damit leben zu lernen. Wir sollten verstehen, dass wir nicht vollkommen sind und barmherziger miteinander umgehen. Jeder Mensch ist, ohne etwas vorzeigen zu müssen, wertvoll“, sagt Anke Claßen.
Sterbebegleitung gehörte zur Nachbarschaftshilfe
Danja Kirschberger und Verena Hilker sind Koordinatoren der Hospizhilfe Nordenham und umzu. Der Verein unterstützt Menschen, die schwer krank sind, sowie deren Angehörige in ihrem Alltag. Die ehrenamtlichen Helfer verordnen oder geben aber keine Medikamente.
In den Gesprächen mit den zu betreuenden Menschen kommt es durchaus vor, dass jemand sagt, er möchte nicht mehr leben. „Dahinter steht selten der Wunsch zu sterben. Wir versuchen in so einem Fall herauszufinden, was der Grund für die Aussage ist. Bei Schmerzen nehmen wir Kontakt zu den Ärzten auf und suchen nach einer Lösung. Wenn jemand einsam ist, organisieren wir regelmäßige Besuche“, sagt Danja Kirchberger.
Die Einrichtung will Menschen ein selbstbestimmtes und würdiges Sterben ermöglichen. Selbstbestimmung und Würde sind auch die Argumente der Befürworter der Sterbehilfe. In den Niederlanden nahmen, laut einem Artikel in der Ärztezeitung, 2020 rund 8720 Menschen Sterbehilfe in Anspruch. Die Zahl steigt seit ein paar Jahren kontinuierlich an. 58 Prozent der Personen sind über 70 Jahre alt und viele litten an unheilbaren Krankheiten. 23 Prozent gaben als Sterbewunsch „eine Häufung von Alterskrankheiten“ an.
„Offener darüber sprechen“
„Aus unserer Sicht bietet das Erleben des Sterbeprozesses, die Möglichkeit bewusst Abschied zu nehmen. Damit das Sterben seinen Schrecken verliert, muss in der Gesellschaft offener darüber gesprochen werden“, sagt Verena Hilker. Und ihre Kollegin ergänzt: „Früher starben die Menschen zu Hause. Da war die Familie und oft auch die Nachbarn beteiligt. Was wir als Hospizhilfe machen, ist so etwas wie Nachbarschaftshilfe früher war. Es geht um Nächstenliebe und füreinander da sein.“ Der Verein bietet unter anderen über die KVHS Letzte-Hilfe-Kurse an.