Wir leben da, wo andere Urlaub machen. Das ist die harte Realität. Schlangen vor den Eisbuden und familienbetriebene Radkutschen gehören im Sommer zum üblichen Bild an der Küste. Doch nur wenige Kilometer entfernt findet sich die Ruhe selbst.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit…
Womit ich gleich bei der Packliste bin, die für dieses Mikroabenteuer benötigt wird: Wer keinen Camper hat, braucht eine Schlafmöglichkeit im Auto oder zumindest eine Isomatte und einen Schlafsack. Alles, was schwimmt, wie ein SUP oder eine Luftmatratze, geben dem Ausflug wortwörtlich Auftrieb. Ich nehme mein aufblasbares Kajak mit.
Und bitte machen Sie keine Anfängerfehler wie diesen: Auf dem Weg ans Meer, fällt mir ein, dass ich nicht auf die Gezeitentabelle geguckt habe. Großes Kino: Mikroabenteuer mit Boot, aber ohne Wasser. Zum Glück stellt sich heraus, dass an diesem Tag die Flut spät dran ist.
Seltener dürfte Ihnen folgendes passieren: Bei meiner Ankunft stehen am Spieker zahlreiche Oldtimer. Es ist das Wochenende des jährlichen Treffens in Nordenham. Der Hafen ist eine der Stationen der Rallye. Blitzendes Chrome, coole Karren. Ob einige Leute auf ihren Badetüchern posieren oder sich nur sonnen, ist nicht zu unterscheiden. Eine Frau zieht ihre Luftmatratze aufs Wasser.
Spiegelglatte Fläche, Paddler sprechen gern vom Ententeich- keine erkennbare Gefahr durch Wellengang oder aufziehendes Unwetter. Aber die See ist natürlich nicht zu unterschätzen.
Fachsimpeln über Betten und Autos
Kaum geparkt, komme ich mit meinen Nachbarn ins Gespräch. Sie haben eine selbstgebastelte Bett-Konstruktion im Auto. Meine ist ihnen zu teuer. Kostenpunkt: 800 Euro. Kein Pappenstiel, aber für die Besitzer eines Kombis oder Hochdachkombis eine elegante Lösung für die Nacht am Meer (hier der Link zur Como-Box).
Mir bleiben drei Stunden Zeit, um sorglos zu paddeln. Zur Erklärung: Das Packraft ist nicht so stabil wie ein massives PE-Kajak. Stärkerer Seegang bringt es zum Kentern und der Sog der einsetzenden Ebbe könnte es, wenn man schläft, auf die Nordsee hinausspülen. Eine gewisse Vorsicht ist in unseren Breiten immer geboten.
Die Fußgänger an Land und ich haben ungefähr dasselbe Tempo. Das Meer ist derweil ein sanft wehendes Laken in grau-blau. Ich paddle parallel zur Strandpromenade Richtung Eckwarderhörne. Einziges Hindernis sind die Buhnen. Sie zwingen mich weiter hinaus. Nochmal für alle, die ähnliches vorhaben: Achten Sie auf die Gezeiten und den Wellengang. Es soll ja kein Makroabenteuer werden.
Vom Spieker bis zum alten Fähranleger sind es nur wenige Kilometer. Die Tore sind ein beliebtes Fotomotiv, auch vom Wasser aus.
Mit der heimischen Tierwelt auf Du und Du
Am ehemaligen Fähranleger vor Eckwarderhörne brüten die Möwen oben auf den Torbögen. Sie sind ungehalten über meine Ankunft. Einen Moment sitze ich einfach im Boot und genieße die Sonne. Hinter mir platscht es laut. Es ist nichts zu sehen. Dann taucht der Kopf eines Seehundes etwa 30 Meter von mir entfernt auf. Wir gucken uns an. Ich bin hin und weg. Er bleibt entspannt. Dann ist er weg.
Am Spieker ist es inzwischen leer geworden. Ein Mann läuft mit seinem Rollator den Asphaltweg am Wasser entlang. Seine Frau wartet im Auto und genießt die Sonne. Ihren Arm hat sie lässig aus dem Fenster gehängt. Ich setze mich auf die warmen Betonsteine. Alles könnte perfekt sein.
Doch der Gaskocher muckt. Beim Wechsel der Kartusche bricht mir ein Stück der Halterung weg. Kochen ist out. Die Nudeln werden nur mit Hängen und Würgen gar. Auch ein Esstisch wäre nicht schlecht. Es sind solche Momente, in denen ich leise fluchend vor meiner Ausrüstung sitze.
Nach der Fahrt ist vor der Fahrt. Die Salzkruste am Packraft zeugt von der absolvierten Paddeltour im Meer. Anschließend starrt die Besatzung gern aufs Wasser und hofft, dass der Seehund nochmal auftaucht.
Die Küchenausstattung steckt noch in den Kinderschuhen. Erst streikte der Gaskocher, dann fehlte der Esstisch. All diese Dinge kamen auf meine To-Do-better-Liste. Was dort draufsteht, sollte man sich dann auch für die kommenden Mikroabenteuer zu Herzen nehmen.
Spaziergang zu den sanitären Anlagen
Nach dem Spülen der Töpfe und Teller bietet sich für alle Noch-nicht-Müden ein Spaziergang zum Restaurant Mediterranean in Eckwarderhörne an. Es gibt dort Eis, kalte Duschen und öffentliche Toiletten. Am Spieker selbst steht nur ein Dixi-Klo. Man kann von diesen Dingern halten, was man will, aber dieses ist zumindest gepflegt. Es riecht nicht und wird immer rechtzeitig geleert.
Ebbe. Im Gegenlicht der Sonne scheint der Wattboden mit seinen Wurmhaufen wie ein pickliges Feld. Es wird Zeit, die Vorhänge im Auto zu schließen. Aber um 22 Uhr gleiten die Lichter von Scheinwerfern über mich hinweg. Kein Wachmann. An den Wochenenden trifft sich die Jugend zum Quatschen und Knutschen. Dazu gehört das Cruisen mit den Autos auf dem Platz. Pure Romantik des 21. Jahrhunderts.
Als ich das nächste Mal aus dem Fenster gucke, dämmert es schon und ich stehe allein am Spieker. Ohne Gaskocher, kein Kaffee. Das heißt für mich Abflug. Der Vorteil solch eines Mikroabenteuers ist, dass das zu Hause nicht weit ist: In 30 Minuten gibt es eine heiße Dusche und der Kühlschrank wird rücksichtslos geplündert.