Kühe haben selten ein schönes Leben. Die meisten verbringen viel Zeit im Stall und werden geschlachtet, sobald sie keine Leistung mehr bringen. Wer von ihnen nach Hof Butenland in Niens kommt, darf das Dasein bis zum Umfallen genießen. Eine Patenschaft hilft dabei.
Die Redakteurin ist seit 2022 Patin der Kuh „Lieke“, hat es aber seitdem noch nicht geschafft, ihr ein Büschel Gras anzubieten. Höchste Zeit sich anzusehen, wie es auf der Weide so läuft.
Gerade erst kam ein Schwung Neuzugänge auf Hof Butenland an – vier verwahrloste Ponys und eine Gruppe Minischweine. Sie waren dem Besitzer lästig geworden und mussten weg. Jetzt sind sie in Sicherheit.

Jedes Tier hat seine eigene Geschichte
Deutschlandweit bekannt geworden ist Butenland durch den gleichnamigen Dokumentarfilm, der die Geschichte von Jan Gerdes und seiner damaligen Partnerin erzählt.
Der 69-jährige Landwirtschaftsmeister übernahm den Hof 1983 von seinen Eltern. In den ersten 20 Jahren wirtschaftete er nach biologischen Richtlinien, dann sah er in der Tierhaltung keine Zukunft mehr. 2003 entstand der Lebenshof für Tiere. „Andere sagen Gnadenhof, aber das passt nicht. Straftäter kann man begnadigen, aber ein Tier hat keine Strafe begangen“, sagt Jan Gerdes.

Kuh Lieke wird 2005 geboren und auf einem Bauernhof in der Milchproduktion eingesetzt. Sie erzielt Höchstleistungen. Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie gebären. Lieke bringt in ihrem Leben 14 Kälber zur Welt. Keins davon darf sie behalten. Das Neugeborene wird fast sofort von der Mutter getrennt. Die von der Kuh produzierte Milch wird zweimal am Tag maschinell „abgepumpt“. Euterentzündungen sind dabei keine Seltenheit. Der Zug der Saugnäpfe ist wesentlich kräftiger als eine Kälberschnauze. Nach einem Monat sind die Kühe wieder brünstig. Sie werden erneut gedeckt. Das Spiel beginnt von vorn.
Die meisten Kühe sind nach sieben, acht Jahren erschöpft. Ihr letzter Weg führt zum Schlachter. Lieke hat in ihrem Leben mehr als 100.000 Liter Milch geliefert. Der Bauer, dem sie gehörte, hat sie selbst nach Butenland vermittelt. Damit hat er ihr zumindest einen friedlichen Lebensabend ermöglicht.

Ein Versprechen an eine Kuh
Die 26-jährige Jaqueline Wetjen aus Diekmannshausen ist seit Frühjahr 2023 fest auf Butenland angestellt. Mit ihr geht es auf die Weide, um Lieke einen Besuch abzustatten. Die Rinderherde darf seit zwei Wochen endlich wieder raus. Zwar ist der Boden noch matschig, aber die Tiere seien kaum noch zu halten gewesen, erzählt die junge Frau.
Sie selbst brachte die Kühe Wolke und Klara sowie zwei Jungbullen mit auf den Hof. Jacqueline Wetjen half zunächst beim Nachbarn aus, lernte Melken und die Abläufe der Milchwirtschaft kennen. Auch Wolkes Mutter gehörte zu seiner Herde.
„Ich habe ihr vor der Geburt ihres Kalbes versprochen, dass es nie in die Produktion gehen wird“, sagt sie.
Die Anstellung auf Butenland war ein Glücksfall für alle.
Täglich müssen Rinder, Schweine und Federvieh gefüttert, die Ställe ausgemistet und gesäubert werden.
Jan Gerdes erläutert: „Engagierte Menschen, die von einem idyllischen Leben mit Tieren träumen, gibt es eine Menge. Die merken in der Praxis schnell, dass die Arbeit eintönig sein kann. Und dann sind sie wieder weg.“

Kleiner Stier wird in der Garage gemästet
Klara trottet Wolke hinterher. Die beiden haben noch keinen festen Platz in der Herde gefunden. Knapp 40 Kühe leben derzeit auf dem Hof. „Viel mehr können wir nicht aufnehmen. Im Stall legen sie sich gerne hin. Bei einer höheren Zahl an Tieren würde es eng werden“, sagt Jan Gerdes.
Die Schicksale der Kühe sind bedrückend. Manuela verbrachte vier Jahre im Labor, größtenteils angebunden. Zu Forschungszwecken entnahm man ihr täglich aus dem geöffneten Bauch den Panseninhalt.
Oder Samuell: Der kleine Stier wurde 13 Monate in der Garage eines Restaurantbesitzers gemästet. Er wurde von Tierliebhabern entdeckt und freigekauft.
Lieke mampft die mitgebrachten Apfelstücke, dann stakst sie weiter. „Die Tiere haben hier ihre Ruhe. Sie dürfen endlich tun und lassen, was ihnen gefällt“, sagt Jan Gerdes.
Fazit: Lieke geht es gut. Jan Gerdes hat dafür gesorgt, dass der Hof in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt wurde. Das Vermögen darf nur für den Tierschutz verwendet werden.

„Wenn es nach mir ginge, würde die gesamte Tierhaltung abgeschafft werden. Zumindest muss sich die Landwirtschaft wandeln. Die Debatte, ob ein Schwein statt eineinhalb bald zwei Quadratmeter hat, beeinflusst das Tierwohl nicht. Mastschweine werden nach sechs, sieben Monaten geschlachtet. Mastbullen nach 18 bis 20 Monaten. Das ist kein Leben“, sagt er.
Im hallenartigen Kuhstall ist der Boden mit einer dicken Schicht Strohmehl bedeckt. An den Wänden hängen Bürsten, die automatisch anspringen, wenn die Kuh sich daran reibt. Die Tiere können wählen, ob sie drinnen oder draußen sein wollen.
Auf Butenland ist die Welt noch in Ordnung . Auch wenn seine menschlichen Bewohner wissen, dass das wahre Leben ganz anders abläuft.