Gut und böse liegt so nah

Dezember 7, 2020 Fast umsonst und draussen

Worum gehts? PQ UTM 57/19, 57/20, 57/21 und 58/20

Bösensieben…ein Landstrich zwischen Seefelder und Schweier Aussendeich. Und der Name ist Programm, zumindest beginnt mein Spaziergang unerfreulich. Nachdem ich das Auto an einem verlassenen Gasthof geparkt habe, gehe ich auf die gegenüberliegende Straßenseite um ein Foto von dem Gebäude zu machen.

Ein silberfarbener Opel kommt just in dem Moment auf der Landstraße angefahren und hält eben vor dem Objekt. Die Beifahrerscheibe geht herunter und eine betagte Frau bellt herüber: „Was machen Sie da? Kommen Sie her!“ Ich bin über den Ton einigermaßen überrascht und erkundige mich nach dem Grund der mich dazu bringen sollte. Daraufhin schliesst sich das Autofenster, und ich gehe meiner Wege. Es dauert nicht lang, da höre ich ein Auto hinter mir. Ich drehe mich herum und erkenne den silbernen Wagen, diesmal mit Warnblinker. Ich bleibe stehen und warte. Wieder geht die Scheibe herunter:“Wieso fotografieren Sie das Haus?“ (Ton barsch). „Wieso wollen Sie das wissen?“ „Weil es mein Haus ist!“ „…ist es verboten dort Fotos zu machen?“ Scheibe wieder hoch, Abfahrt.

Einschub: Diesmal wandere ich durch vier Planquadrate an einem Tag. Grund ist, dass sich PQ1 als Weideland ausweist, durchzogen nur von einem Bauernweg. Regeln (ein PQ pro Tag, 2-3 Stunden) muss man brechen, wenn sie augenscheinlich dem Projekt im Wege stehen…

Links ab komme ich auf meinen erweiterten Rundweg. Damit erreiche ich das zweite PQ. Vor mir Weiden, Acker, Brache…Das Wandern ist des Müllers Lust? Wahrscheinlich hatten die Leute früher gar keine andere Wahl. Entengrütze treibt auf den Gräben, und ich frage mich wie diese entsteht (schliesslich habe ich sonst wenig zu entdecken).

Die Kleine Wasserlinse (Entengrütze) wächst und gedeiht, wenn es warm genug ist. Sie dient Enten und Fischen als eiweißreiche Nahrungsquelle. In Asien gehört sie zu den ganz gewöhnlichen Lebensmitteln auf dem Teller. Nachteil des schwimmenden Teppichs: Die Linsen vermehren sich recht flott und nehmen den im Gewässer lebenden Pflanzen das Licht. Was tun? Abfischen und/oder aufessen!

Gemeine Entengrütze, bzw Kleine Wasserlinse

Auf dem Zufahrtsschild eines Bauernhofes lese ich die Namen der Familienmitglieder die größtenteils niederländisch klingen.

An der Eingangstür stehen zwei Frauen und unterhalten sich. Ich gehe auf sie zu und frage ob sich meine Annahme, die niederländische Herkunft, bestätigt. Das ist in Ansätzen der Fall, und der Grund für den Landkauf in Deutschland ergibt sich aus der Größe des Heimatlandes. Die Niederlande sind klein, Land knapp, da wird ausgewandert. Das eigentliche Problem der Landwirte, hier wie dort, sind aber die zunehmenden Regeln und Vorschriften, sowie niedrige Preise für ihre Produkte.

Zum Beispiel gibt es für das Ausfahren von Gülle immer engmaschigere Regeln: „Auf Dauergrünland oder Ackerfutterflächen dürfen im Zeitraum von 30. November bis 15. Februar keine stickstoffhältigen mineralischen Dünger ausgefahren werden. Diese darf erst ausgebracht werden, wenn die Durchschnittstemperatur während 7 Tagen über 5° C liegt. Gemäss der Beurteilung von 22. Februar 2019 ist die Vegetationsruhe erst in sehr milden Lagen unterbrochen. Laut Düngeverordnung müssen auf bestelltem Ackerland ab Februar 2020 flüssige organischen Düngemittel streifenförmig auf den Boden aufgebracht oder direkt in den Boden eingebracht werden. Für Grünland gilt diese Regelung ab Februar 2025.“ Hat der Bauer alle Auflagen erfüllt und will das Zeitfenster nutzen, muss er zusätzlich innerhalb von zwei Tagen die aufgebrachte Menge an Gülle pro Quadratmeter dokumentieren. Verzug führt bei einer Kontrolle zu Bußgeld.

Dann das Preis/Leistungsgefälle: Erst kürzlich umstellte eine 300-köpfige Trekker-Kolonne einen Lidl Markt in Cloppenburg. Die Anlieferung neuer Ware war verhindert, der Markt binnen weniger Stunden leer gekauft. Ohne gerechte Bezahlung der Bauern gibt es keine Erzeuger und damit keine Ware.

„Wir Landwirte sollen Verantwortung für Insektenschutz, Artenvielfalt, Tierwohl, Gewässerschutz und Klimaschutz übernehmen – das können wir nur, wenn wir deutlich höhere Preise für unsere Erzeugnisse erhalten.“

Ketten wie Lidl, Aldi, Rewe und Edeka bestimmen den Markt und das Angebot für die Verbraucher. Billige Fleisch,- und Milchprodukte können unter Einhaltung der Auflagen nicht existenzerhaltend von den Bauern erwirtschaftet werden. Manch einen treibt das zur Aufgabe des Hofes. Der Alltag als Bauer bedeutet Arbeit von morgens bis abends. Wer sich für diesen Beruf entscheidet, tut es nicht aus der Idee heraus reich zu werden. „Wir lieben die Arbeit draussen und mit den Tieren. Eine überzogene Bürokratie, die uns Bauern an den Schreibtisch fesselt und mit Niedriglöhnen „belohnt“, kann auf Dauer nicht funktionieren.“

Die Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört, hat nun angekündigt im Laufe des Jahres 2021 50 Millionen Euro zur Unterstützung der Landwirte zur Verfügung zu stellen. Das klingt nach einem stolzen Betrag. Aufgeteilt auf die Höfe bleibt ein verschwindend kleiner Satz übrig, das Problem der Niedriglöhne ist lediglich verschoben, die Wertschätzung der Arbeit bleibt aus. Nur eine dauerhafte Preisregulation garantiert den deutschen Bauern das Auskommen und die Möglichkeit qualitativ hochwertige Ware zu produzieren.

Dieses Thema betrifft nicht nur unsere Bauern, sondern ebenso die Abholzung der Regenwälder, die Massentierhaltung, die zunehmende Resistenz gegen Antibiotika etc.

Dienstags und freitags ist Wochenmarkt in Nordenham. Eine gute Gelegenheit sich mit den ansässigen Bauern zu unterhalten….

Übrigens ist über den Ursprung der „Bösensieben“ nichts im Netz verzeichnet. Immobilienpreise unterscheiden sich nicht grundlegend von denen anderer Gebiete im Stadland. Auch ist keine erhöhte Kriminalitätsrate zu verzeichnen. Lediglich ein Fluss im Harz trägt den verwandten Namen „Böse Sieben“. So wird er seit dem 19.Jh genannt, vorher hiess er „Wilder Bach“. Über Gründe und Zusammenhänge des Namens weiß man auch dort nichts Genaueres…

Nachtrag: Eine Leserin schrieb mir, dass der Name „Bösensieben“ der Landschaft geschuldet ist. Die umgebenden Moore führten zur Bezeichnung.

Nachtrag mit Dank an Frau A.F. die mir die Lösung zum Namensursprung schickte: „Bösensieben bedeutet, dass es 7 Gehöfte sind im bösen Gebiet, dem Moor  ;)“

Mehr Geschichten dieser Art? Oder mehr Liebe auf dem Land.

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