(erschienen im Mai 2024)
Ein Abend am Kaminfeuer, draußen tobt der eisige Wind über die Ebene. Ein Glas honiggelber Whisky rundet das Bild ab. Diese verlassenen Weiten finden sich kaum in der Wesermarsch. Dafür aber umso überraschender jede Menge gute Whisky-Sorten.
Auf der Stadlander Straße bei Seefeld steht kein Schild am Straßenrand, das auf die Maltbarn, frei übersetzt Malz-Scheune, hinweist. Das braucht es auch nicht, denn das Familienunternehmen ist über die Grenzen Deutschlands bekannt. Hier wird besonders der schottische Whisky geliebt und in Ehren gehalten. Gegründet wurde die Firma 2011 durch Martin Diekmann.
„Wer sich richtig mit Whisky beschäftigen will, muss ihn sich ertrinken“, sagt der 56-Jährige. Das war in den 90ern noch möglich, die Preise für Whisky nicht so hoch wie heute. Martin Diekmann reiste damals regelmäßig nach Schottland, probierte viele der variantenreichen Abfüllungen der 50er und 60er Jahre aus.
„Die Flaschen gibt es noch, aber sie kosten nun 2000 oder 3000 Euro. Die macht keiner mehr auf. Damals konnte ich mich in den Brennereien umgucken und mit den Inhabern in Ruhe unterhalten. Heute sind dort große Besuchercenter entstanden. Da herrscht Andrang und keiner hat mehr die Zeit, alles zu erklären“, sagt er.
Vom Umweltwissenschaftler zum Kenner des Whiskys
Martin Diekmann ist gebürtiger Nordenhamer. Nach dem Abitur macht er eine Ausbildung zum Speditionskaufmann bei der Midgard. Die Arbeit bietet keine Erfüllung und so schließt er das Studium der Umweltwissenschaft in Lüneburg an. Doch der Berufszweig steckt noch in den Kinderschuhen und das Angebot an Jobs ist zu gering. Der junge Mann entschließt sich, ein Volontariat bei einer Fonds-Zeitschrift anzunehmen. Er schreibt zehn Jahre lang für die deutsche Financial Times in Hamburg. Mit der Einstellung des Magazins stellt sich die Frage, nach der weiteren beruflichen Laufbahn. Da kommt der Whisky ins Spiel.
1997 bereist Martin Diekmann das erste Mal Schottland. Viele weitere Fahrten folgen. Er besucht Messen und Brennereien im Land. 2004 nimmt er an einer einwöchigen Schulung der Whisky Academy in Bruichladdich auf der Insel Islay teil.
Der Gedanke an eine eigene Abfüllung wächst. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass in der Scheune, der Maltbarn, kein Whisky gebrannt oder gelagert wird. Der Alkohol reift in Fässer in Schottland heran. Die Abfüllung geschieht dort und die Flaschen werden nach Deutschland exportiert.
Er verkauft, was er selbst gern trinkt
Martin Diekmann beginnt seinen Vertrieb zunächst mit zwei kleinen Fässern, mit etwa 80 Flaschen pro Fass. Das finanzielle Risiko ist gering. Mit den Flaschen fährt er zur Whisky-Messe nach Limburg. Besucher aus aller Welt kommen dorthin. Es ist das Who’s who der Whiskykenner. Seine Abfüllung kommt gut an, die Nachfrage steigt.
Was ist dran am guten Whisky? Wenn ein Fass befüllt wird, ist es null Jahre alt. Nach drei Jahren kann man das Getränk Whisky nennen, abfüllen und verkaufen. Für Farbe und Aroma sind zwei Dinge entscheidend: Ein neues Eichenfass gibt beides schneller ab, als ein Fass, das schon mehrfach befüllt wurde. Die Dauer der Lagerung bildet den zweiten Eckpunkt. „Die Fässer, in denen sich der Whisky langsam entwickelt, sind mir lieber. Man braucht halt mehr Zeit und kann daraus eine Wissenschaft machen. Mein Ziel ist letztlich, Sachen herauszubringen, die ich selbst gern trinke“, sagt Martin Diekmann.
Jedes Land hat seine Eigenheiten. Die Schotten arbeiten mit gemälzter Gerste. Die deutschen Whisky-Brennereien arbeiten vielfach nach dem Verfahren der Kornbrennerei, der amerikanische Bourbon reift nur drei bis vier Jahre in einem frischen Eichenfass. Wenn Scotch Whisky auf dem Label steht, muss die Flasche in Schottland abgefüllt worden sein. Der Name der Brennerei macht den Whisky zusätzlich teuer.
Inzwischen boomt der Handel mit der Spirituose so stark, dass sich Käufer bei Brokern eintragen lassen. Haben die ein passendes Angebot, kaufen die Interessenten blind. „Würde man erst nach einer Probe fragen, wäre der Inhalt der Fässer schon längst weg“, sagt der Nordenhamer.
Sein Vorteil ist, dass er die Produkte der schottischen Brennereien über Jahre kennengelernt hat. Wenn Martin Diekmann zu Besuch kommt, lässt er sich Proben aus seinen Fässern abfüllen und entscheidet anschließend, welches auf den Markt kommt.
Eine Verdünnung der Fasstärke kommt nicht infrage
Unter Whiskytrinkern wird Wert auf die Fasstärke gelegt. Das bedeutet, dass der unverdünnte Whisky bei der Befüllung des Fasses einen Alkoholgehalt von 63 bis 65 Prozent aufweist. Durch die Lagerung verdunstet Alkohol. Nach zehn Jahren sind etwa 55 Prozent, nach 20 Jahren etwa 48 Prozent die normale Fasstärke. „Die großen Marken haben oftmals nur 40 Prozent Alkohol. Sie verdünnen die hochprozentige Abfüllung mit Wasser und haben so mehr Flaschen zum Verkauf. Das mache ich nicht“, sagt Martin Diekmann.
Es folgt der Test. Whisky Nummer 1 ist ein Single Malt Scotch Whisky. Er schmeckt weich, mit einem Hauch von Vanille. Der 1996er Bourbon ist 25 Jahre gereift. „1972 gilt als der beste Ben Nevis Jahrgang. Wenn man keine Erfahrung mit Whisky hat, dann ist das verschenktes Geld. Die trinkt man nicht raus. Aber wenn man kleine Mengen trinkt und zwanzig schöne Abende damit hat, dann ist es die Flasche wert“, sagt Martin Diekmann. Die Flasche kostet 400 Euro.
Whisky Nummer 2 kommt aus einem Sherry-Fass. Der Whisky ist dunkel, schmeckt nach Pflaume und hat eine erdige Note. Er ist 26 Jahre alt, aus der Inchgower Brennerei und kostet schlappe 250 Euro. Auf dem Label steht alles, was man wissen muss: Der Name der Brennerei, das Jahr der Lagerung und der Abfüllung und die Zahl der Flaschen, die auf dem Markt zu bekommen sind. Je weniger es gibt, desto wertvoller ist das einzelne Exemplar.
Mit der Gestaltung des Flaschenlabels stellen die Diekmanns den lokalen Bezug zum Norden Deutschlands her. Eine erste Serie zeigt Bilder vom Hof. Weitere Labels mit maritimen Themen oder Werken von Künstler aus der Gegend folgen. Eine Familienserie zeigt schwarz-weiß Aufnahmen von Martin Diekmanns Oma, seinen Eltern und ihm selbst. Ein Kunde aus Taiwan kauft ein ganzes Fass und bekommt ein eigenes Label für die Flaschen.Manche Flasche geht zurück nach Schottland„Whisky ist vielfältiger als alle anderen Spirituosen, torfig, blumig, leicht oder fett wie Maschinenöl. Entscheidend ist der persönliche Geschmack“, sagt der Experte. Bei einer Verkostung sollte der Magen vorher gefüllt werden. Snacks oder andere starke Aromen gilt es während des Tastings zu vermeiden.
Trockene Cracker können helfen, die Geschmacksnerven für die aufeinanderfolgenden Proben jeweils zu neutralisieren. Natürlich muss das Glas nach jedem Whisky ausgespült werden. Einige Kenner wünschen sich Spuckeimer. Der Sinn erschließt sich von selbst: Je mehr getrunken wird, desto schwieriger wird es, die einzelnen Nuancen wahrzunehmen. Wenn der Alkohol gar nicht erst die Kehle erreicht, bleiben die Sinne geschärft. Es gilt: Erst riechen, dann trinken. Und bitte ohne Eis im Glas.
Der Verkauf an Martin Diekmanns Kunden ist mittlerweile Vertrauenssache. Sobald eine Abfüllung zur Verfügung steht, werden sie benachrichtigt. „Die Flaschen gehen nach Kanada, Japan, Australien, Holland. Ich exportiere den Whisky auch zurück nach Großbritannien“, sagt Martin Diekmann und schmunzelt. Innerhalb weniger Tage sind die Flaschen verkauft. Alle Infos zum „norddeutschen“ Whisky finden Sie unter Maltbarn.com. In Kürze soll es dort auch einen Webshop geben.