(erschienen, Samstag, 12.Juli 25)
Passagiere des Fluges LH23 nach Malaga werden gebeten, sich zum Gate B17 zu begeben“, schallt es blechern, aber klar durch den Raum. Von einem Flugzeug keine Spur. Die Durchsage kommt von einem Graupapagei namens Pico. Aus der Voliere gegenüber antwortet Esther mit lautem Pfeifen. Insgesamt neun der exotischen Vögel leben auf Gut Dunkelfeld in Nordenham. Imke und Patrick Stapelfeld halten die Tiere auf 80 Quadratmetern, zu zweit oder allein, mit Sichtkontakt zueinander.
„Mittlerweile würde ich sagen, die Haltung von Papageien sollte verboten werden. Sie können bis zu 80 Jahren alt werden. Es macht mir Angst, nicht zu wissen, was mit ihnen passiert, wenn es uns nicht mehr gibt“, sagt Patrick Stapelfeld.

Papageien dürfen inzwischen nur noch von Züchter erworben werden
In den 90ern boomt der Import der Tiere nach Deutschland. Sie werden aus ihrer Heimat, den tropischen Regenwäldern und Savannen West- und Südafrikas, eingeflogen. Die sprachbegabten Vögel landen als scheinbar lustige Unterhalter in Restaurants oder finden sich vielfach in zu kleinen Käfigen in einer Wohnung wieder. 2017 wird der Handel mit wild gefangenen Exemplaren weltweit verboten. Legal können sie heute nur noch von Züchtern erworben werden.
Patrick Stapelfeld wächst in Blexen auf. Als Kind hält er Nymphen- und Ziegensittiche. Er ist fasziniert von den kleinen Papageien, die schnell handzahm werden. Sein Großonkel in Brake hat damals sogar einen prächtigen Hyazinth-Ara. In der Jugend lässt das Interesse nach. Zusammen mit seiner Frau und deren Schwester erwirbt er Jahre später das Gutshaus am Sandinger Weg.

2010 kauft das Paar zwei Graupapageien von einem Züchter. Sam und Esther bekommen eine große Voliere im Wohnzimmer und werden regelmäßig in die Freiheit der vier Wände entlassen. Sie fressen die hölzernen Türrahmen ab und machen etwas zu viel Dreck. Die Lösung soll die ehemalige Küche des Gutshauses sein. Doch dort werfen die Tiere mit den Fruchtstücken aus ihren Näpfen um sich. Bald klebt der Boden. Über Bekannte stoßen Diego und Ella hinzu. Gemeinsam beziehen die vier Vögel ein frisch saniertes Gehege. Im Außenbereich entstehen die ersten Volieren.

Der Hof wird zu einem weiteren Zufluchtsort
Es spricht sich herum, dass die Stapelfelds ein Herz für Tiere haben. Ein Ehepaar aus Wilhelmshaven möchte aus Altersgründen seinen Papagei abgeben. „Ich bin eigentlich hingefahren, um ihnen mitzuteilen, dass es nicht geht“, erinnert sich Patrick Stapelfeld. Als er die Wohnung betritt, fliegt ihm Pico schon entgegen. Auf Höhe seines Kopfes krächzt der Papagei: „Kommste mit?“ – „Da war die Sache entschieden“, sagt der 54-Jährige.
Wenn er morgens mit dem Rad vom Hof fährt, sitzt Pico am Fenster und verabschiedet sich mit einem „Tschüss“. Und, wenn er besonders gut drauf ist, spreizt er dabei eine Kralle ab und grüßt. Über die Jahre kommen vier weitere Tiere hinzu.

Enno kann nicht fliegen – bis er sich in die Luft erhebt
Margrit Reinhardt betreibt die Arche Noah, eine Auffangstation für misshandelte und übriggebliebene Papageien, in Hagen. Sie ist inzwischen zu einer engen Beraterin geworden. Als der Halter von Enno verstirbt, fragt sie bei den Nordenhamern an, ob sie das Tier übernehmen können. Enno wuchs bei seinem Vorbesitzer mit Hühnern auf und durfte sich frei bewegen. Geflogen ist er bis zu diesem Tag nicht.
„Wir ließen ihn auch bei uns auf dem Platz laufen. Plötzlich hob er ab und war über die Bäume verschwunden“, sagt Patrick Stapelfeld. Ein Suchtrupp schwärmt aus. Der Schwager findet das erschöpfte Tier im hohen Gras.
Außerdem kann Enno Krähen und Bussarde imitieren. Das macht ihn zu einem Außenseiter. „Seine Artgenossen können die Laute nicht deuten. Es gab immer Stress“, sagt Patrick Stapelfeld. Deswegen hat Enno eine Voliere für sich allein. Schnappt Enno beim Füttern seinen Haltern in den Finger, fügt der Vogel augenblicklich ein „Aua“ hinzu.

Die Untere Naturschutzbehörde hat alles kontrolliert
Neben dem Job dreht sich bei den Stapelfelds alles um die Tiere. 2007 waren sie das letzte Mal im Urlaub. Die neun Graupapageien bekommen morgens und nachmittags Frischfutter. „Ich brauche eine halbe Stunde nach dem Aufstehen, um mich fertig zu machen und mindestens genauso so lange, um das Obst und Gemüse zu schnibbeln“, sagt er. Das Trinkwasser muss gewechselt und am Abend die Volieren gereinigt werden. Tagsüber sorgt ein spezielles Vogellicht dafür, dass die Tiere genug Vitamin D produzieren.

Die Vögel der Stapelfelds sind in Hannover beim NLWKN (Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) gemeldet. Auch die Untere Naturschutzbehörde hat alles kontrolliert. Den Vögeln geht es gut. „Wir nehmen keine mehr an. Inzwischen haben wir gelernt, dass man solche Tiere gar nicht erst anschaffen sollte“, sagt Patrick Stapelfeld.