Lismore ist eine schottische Insel von nur 16 km Länge und einer Breite von 2 km. Ihr Name bedeutet grosser Garten. Der Ursprung dieser Bezeichnung ist ungeklärt. Es könnte sein, dass das Kloster, welches im 12.Jahrhundert existierte, die Ländereien für den eigenen Gebrauch nutzte und die Insel als ihren Garten sah. Oder die Bezeichnung nimmt Bezug auf die Lage im Loch Linnhe, eingebettet zwischen Ausläufern des Festlands und der deutlich größeren Insel Mull.
Zu den 160 Bewohnern von Lismore gehören Clare Haworth (59) und Mike Hyatt (60). Clares Wunsch war es auf einer Insel zu leben, während Mikes Traum der Besitz von Land war. Der Bau eines Bunkhauses, einer Art Herberge, auf dem Gelände, sollte die finanzielle Grundlage für die Zukunft bilden. Als sich die Gelegenheit bot 17.5 Hektar Land auf Lismore zu kaufen, schlugen sie zu.
2016 kam ich zum ersten Mal als Workawayer hierher. *Workaway ist eine Plattform auf der eine Partei die Mitarbeit an einem Projekt anbietet, während die andere Seite dafür Kost und Logis bekommt.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Bunkhouse in der Bauphase. Zusammen mit Greta aus Berlin, Jean aus Toronto und Griffin aus Texas schichtete ich, nach traditionellem Vorbild, eine Steinmauer auf, schraubte Ikea Betten zusammen und grub Felder um. Während Mike konstant als Landschaftsarchitekt arbeitete, rotierte Clare auf Haus und Hof und bekochte uns mit Gemüse aus eigenem Anbau. Schon damals war ich tief beeindruckt von der Energie und Offenheit der Beiden.
Nach sechs Jahren habe ich es endlich geschafft zurück zu kommen. Inzwischen ist die Herberge, mit ihren 10 Schlafplätzen, in den Sommermonaten konstant ausgebucht. Auf dem Acker wird von Tee, über Johannisbeeren, bis zu Kartoffeln alles komplett ohne Pestizide angebaut. Das Thema Artenvielfalt hat durch Clare und Mikes Projekt, auf ihrem Anwesen einen Mix aus 1000 Bäume zu Pflanzen, ein Gesicht bekommen. Drei Hochlandrinder, 10 aus der Legebatterie gerettete Hühner und zwei Schafe, runden das Bild ab.
Um nach Lismore zu kommen gibt es zwei Fährverbindungen. Von Oban fährt vier Mal am Tag ein Boot herüber, welches auch Autos transportiert. Am anderen Ende der Insel gibt es zudem eine Fußgängerfähre. Während Reisenden dringend abgeraten wird Schottland im Winter zu besuchen, scheint bei meiner Ankunft die Sonne.
Zeitgleich mit mir sind zwei weitere Helfer vor Ort: Emily (24) aus Glochester, England, und Talitha (19) aus Emmen, Niederlande. Emily hat vor Kurzem ihr Studium der Sprach,- und Kulturwissenschaften beendet und will später im Bereich Naturschutz arbeiten. Für Talitha beginnt nach diesem Projekt der Ernst des Lebens. Sie will sich bis Mai für einen Studiengang entscheiden. Sind alle Workawayer so jung? Nein, aber der Aufenthalt im Ausland bietet sich Vielen nur in den Zwischenphasen von Schule zu Uni, oder vor dem Beruf an. Für mich ist es eine großartige Gelegenheit Reisen mit dem Kennenlernen von Land und Leuten zu verbinden.
Die Woche hat auch bei diesen Projekten fünf Arbeitstage und zwei freie Tage. Ein typischer Verlauf des Arbeitstages beginnt mit Tee, der Lagebesprechung und Aufgabenverteilung. Morgens befreie ich den Wohnwagen von Grünspahn und harke verdorrte Pflanzenreste aus den Beeten. Emily gibt den Metallstuehlen einen frischen Anstrich, Talitha räumt den Abstellraum auf. Es gibt Tee zwischendurch und Mittagessen um 13.00 Uhr. Dann folgt ein weiterer Arbeitsblock und das Abendessen.
Das Freizeitangebot ist begrenzt. Dafür gibt es mehr jahrhundertealte Ruinen, als Shops, auf der Insel. Durch ein Gatter, über Schafweiden gelangt man zu den Überresten der Burg Coeffin. Der Sage nach soll die Schwester eines Wikingerprinzen als Geist in den Gemäuern gelebt haben, bis ihre Knochen in Norwegen, an der Seite ihres Liebhaber, beerdigt wurden. Quasi auf der gegenüber liegenden Seite der Insel stehen die Reste eines Brochs aus der Eisenzeit, 1200 v. Chr. Der Heritage Center der Insel gibt detailliert Auskunft über geschichtliche Hintergründe und Entwicklungen. Er ist ab April bis Ende September geöffnet.
Im Gemeinschaftshaus trifft sich am Mittwoch die Chorgruppe, Donnerstags wird Zumba angeboten. Am Wochenende feiert Clare dort ihren 60. Geburtstag. Zu dem Ereignis kommen 35 geladene Gäste vom Festland, sowie zahlreiche Anwohner. Clare wird singen, außerdem gibt es selbstgebrannten Fliederschnaps… Leider reise ich vorher ab. Die Feier wird das Gesprächsthema der kommenden Tage sein.
Mehr über Lismore? Hier gehts zum Film von 2016