Becky und Don sind die Gründer der Turbojugend (TJ) Butjadingen. Was nach einem Sportverein für Teenager klingt, ist das komplette Gegenteil. Don ist seit rund 30 Jahren in der Punkszene aktiv. Fast genauso lange arbeitet der 52-Jährige für einen Hamburger Konzern im Lizenzmanagement, inzwischen meistens von zu Hause aus, online. Seinen richtigen Namen möchte er aufgrund der Firmenetikette nicht in die Zeitung setzen. Daher nennen wir die beiden hier Don und Becky Klostermann. Das Paar wohnt mit Beckys zwei Kindern in Stollhamm.
Die Zuhälter ändern seinen Namen
Don ist gebürtig aus Varel. Er zieht nach dem Abitur nach Hamburg, St. Pauli. Im Alltag trägt er Anzug und hochgeschlossenes Hemd, am Wochenende tritt er als DJ-Klo auf. Gemeinsam mit Freunden betreibt er zeitweise zwei Bars auf dem Kiez. Die Zuhälter neben seiner Kneipe ändern seinen Namen in Don Klo. Der Zusatz des Ehrentitels „Don“ hebt sein Ansehen.
Ein paar Jahre zuvor, 1989, gründet sich in Oslo die Hardrock-Band „Turbonegro“. In Norwegen ist die Gruppe unter dem Namen „Turboneger“ bekannt, was ihr zeitweise den Vorwurf rassistischer Tendenzen einbringt. Tatsächlich nennt sie sich Turbonegro, weil die Musik schnell und dunkel ist. Mitte der 90er tritt die Band im Clubhaus des FC St. Pauli auf.
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Bela B. ist zu Gast in Dons Kneipe
Bela B., damals Sänger der Band „Die Ärzte“, ist des Öfteren zu Gast in Dons Kneipe. Und er lässt zum Konzert von Turbonegro 20 Aufnäher, sogenannte Patches, mit der Aufschrift „Turbojugend St. Pauli“ herstellen. Zwischenzeitlich löst sich die Band auf, aber der Kult um die Turbojugend wächst. Wer Mitglied ist, hat freien Eintritt in die Clubs und Zugang zum Backstage Bereich.
Als ein Hamburger Plattenlabel 50 Jeansjacken mit dem begehrten Abzeichen auf den Markt bringt, geht etwas später auch eine an Don Klostermann. Er ist damit Mitglied des Gründungs-Chapters der „Turbojugend St. Pauli“. Die Jacken werden Kutten genannt und dürfen niemals gewaschen werden. Die Ausnahme bildet der bekleidete Sprung in einen Pool oder ein Gewässer. Traditionell steht auf der Rückseite der Jacke der Name des Chapters unter dem Aufnäher einer schwarzen Lederkappe. Auf die Vorderseite wird der „Krieger“-Name des Mitgliedes gestickt.
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Sie gründen die Turbojugend Butjadingen
Becky und Don lernen sich vor sieben Jahren während eines Reha-Aufenthaltes kennen. Becky sagt: „Als er mir von seinem Leben berichtete, dachte ich, ja klar, erzähl Du mal. Bis ich das erste Mal in seiner Wohnung war. Da merkte ich, scheiße, es ist alles wahr.“
Nach drei Jahren Fernbeziehung zieht Don zu ihr nach Ostfriesland. Der Abschied vom Kiez fällt ihm leicht. „Mit Ende 40 hatte ich langsam genug von St. Pauli. Auch die Leute um mich herum sind älter geworden“, sagt er. 2022 ziehen sie zusammen nach Stollhamm, heiraten und gründen die Turbojugend Butjadingen. Die elf Mitglieder kommen aus Butjadingen, Nordenham und Bremerhaven. Becky ist ihre Präsidentin.
2500 Chapter gibt es weltweit
Die Band Turbonegro feiert 2002 ihre Reunion und tritt vor tausenden Fans in der großen Freiheit auf. Einmal im Jahr trifft sich die Turbojugend aus aller Welt auf St. Pauli. Mehr als 2500 Chapter soll es inzwischen geben. Die genaue Zahl kennt keiner. Ihr Motto: Zusammen Spaß haben. „99,9 Prozent der Mitglieder haben das Herz am linken Fleck“, sagt Don.
Während der TJ-Tage steht im Mittelpunkt des Programms eine fünfstündige Bootstour auf der Elbe. Etwa 400 Leute passen auf den gecharterten Kahn. Auf dem geht es rund. Einen Tag nach der Ankündigung ist das Event meistens ausverkauft.
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Mitglieder der Turbojugend müssen sexy sein
Die Turbojugend Butjadingen trifft sich fast jeden Freitag bei den Klostermanns. Es läuft Punkrock, dazu gibt es das ein oder andere Bier und neue Rekruten werden gekürt. „Die Mitglieder müssen außergewöhnlich sexy sein und einen Stiefel (2 Liter Bier) vertragen können“, sagt Don und grinst breit. Die Feier endet um 22 Uhr. Dann fährt der letzte Bus nach Nordenham.
Die Präsidentin sagt: „In der Turbojugend sind Menschen, die dieselben Werte teilen. Wir sind wie eine große Familie.“ Wer als Mitglied eines Chapters durch die Welt reist, findet überall ein Sofa. Es gehört zum Kodex der Gruppen, sich untereinander zu helfen.
Wer die Turbojugend kennenlernen will, sollte sich am 29. März in Kleinensiel am Bahnhof einfinden. Dort startet um 13 Uhr das Turbo-Boßeln. Etwa drei Stunden später wird die Gruppe in Nordenham eintreffen. Im Eldorado findet ein passendes Konzert statt. Dazu gibt es Bratwurst für alle.
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