Zelten. Allein das Wort trennt Leser und solche, die gleich weiterblättern. Aber bleiben Sie dran. Diesmal geht es vor allem um den Ort, die Nacht im Zelt ist Nebensache. Inseln ticken halt anders. Wie, darum geht es bei diesem Ausflug.
Harriersand kennt Tagesbesucher und solche, die tagelang bleiben. Nur etwa 80 Personen wohnen dauerhaft auf der 11 Kilometer langen Flussinsel in der Weser. Von Brake bringt die kleine Personen- und Fahrradfähre Guntsiet Gäste herüber. In Rade, Gemeinde Schwanewede, verbindet seit 1965 eine Straßenbrücke die Insel mit dem Festland. Die einzige Straße im Süden von Harriersand führt an Bauernhöfen vorbei zum Ziel: dem 1,2 Kilometer langen Sandstrand.
Die geschriebenen Gesetze der Insel
Zentraler Ort ist das Restaurant „Strandhalle“. Angeschlossen daran ist ein Kiosk, an dem Getränke und Snacks erhältlich sind. Ein großes Schild erklärt die Öffnungszeiten und stimmt auf die Inselgesetze ein. Dort steht:
- Jalousie geschlossen: Kiosk zu.
- Jalousie oben, Fenster geschlossen: Klingeln und einen Moment warten.
- Jalousie auf, Fenster auf: Wohl jemand da.
Für Radfahrer und Fußgänger führt von hier ein schmaler Plattenweg zwischen den Ferienhäusern hindurch zum Campingplatz. Die Anlage wird vom Inselverein betrieben und erlaubt ausschließlich den Besuch mit dem Zelt. Wohnmobile sind nicht erwünscht. Wer mit dem Auto anreist, fährt an der Strandhalle vorbei bis zum ausgeschilderten Parkplatz. Dort stehen Schubkarren bereit, mit denen das Gepäck transportiert werden kann.
Der Platzwart ist ein Zelter
Bei unserer Ankunft ist die Anmeldung nicht besetzt. Wir suchen uns also selbst einen Lagerplatz. In der Mitte des langgezogenen Areals hat eine Gruppe ihr Festzelt aufgebaut. Drumherum stehen ebenfalls Mannschaftszelte. Es könnte laut werden.
Ein Stück weiter liegt eine Musikbox im Gras. „Du hast mein Butterbrot gegessen, mein Herz schlug wild“ und ähnliche Schlager tönen heraus. Zu wem die Box gehört, ist unklar. Dass nicht alle begeistert von der kostenlosen Unterhaltung sind, schon.
Im hinteren Abschnitt des Campingplatzes spielt ein Vater mit seinem Sohn Fußball. Gegenüber ist ein Platz frei. Während wir das Zelt aufbauen, kommt ein Mann herüber. Bernd zeltet auch. Und er vertritt heute den Platzwart: „Hier könnt ihr nicht stehen, der Bereich gehört zu den Vorgärten der Häuser“, sagt er. Das bringt uns in Verlegenheit, denn übrig sind nur die ungeliebten Plätze in der Mitte. Kurzerhand fragen wir die Anwohner, ob wir eine Nacht bleiben dürfen. Das ist kein Problem. Damit ist für Bernd die Welt in Ordnung.
Fairness bis zur Bierdose
Drei Kühlschränke gehören zur Anlage. Sie können gratis genutzt werden und sind randvoll mit Bier. Oben auf einem der Kühlschränke liegt eine Dose. Die hat eine kleine Delle, ist aber verschlossen. Daneben liegt ein Zettel: „Habe aus Versehen Dein Bier auf den Boden fallen lassen. Komm einfach am vorderen Lager vorbei und frage nach Jochen.“ Chill mal, Mann.
Duschen kostet einen Euro. Das Wasser reicht, um sich ordentlich einzuseifen und abzuduschen. Der Abend ist noch jung. Ein Spaziergang durch die Reihen der rund 150 Ferienhäuser bietet sich an. Schön sind sie fast alle, der Preis in dieser Lage astronomisch. Wer neu bauen will, muss sein Haus zum Schutz vor Hochwasser auf Stelzen setzen. So sind die Regeln. Aber die Zukunft ist unsicher. Sollte es plötzlich heißen, „wir renaturieren“, müssen alle Häuser weg. Und das Geld ist futsch.
Umso erstaunlicher ist die Vielfalt der Bauten. Ein Ein-Mann-Strandhaus inklusive Mini-Veranda und Sonnenschirm steht nahe dem Holzhaus mit drei Etagen und voll verglaster Front. Solarblumen zieren den Garten, in den Büschen landen selbstgebastelte Schmetterlinge. Ein kleiner Junge fährt mit seinem Rad unentwegt die abschüssige schmale Zufahrt zum Zeltplatz auf und ab. Die Fußgänger weichen freiwillig auf den Grasstreifen aus.
Am Strand beten die Urlauber gemeinsam den Sonnenuntergang an. Das Licht taucht das Fabrikgebäude der Firma Müller auf der anderen Weserseite in wunderbare Farben. Es riecht nach Grill.
Der Platzwart hat die Ruhe weg
Am nächsten Morgen wollen wir für die Übernachtung zahlen. Der Platzwart sitzt in seinem Häuschen. Drei Zelter stehen davor. Sie erhalten einzeln Einlass. Eine Frau, die ebenfalls wartet, ist sichtlich unruhig. Sie muss die Fähre kriegen. Davon merkt der Platzwart jedoch nichts. Er hat für alle ein offenes Ohr.
„Wie war die Nacht? Ach, ich kenne eure Gesichter, ihr wart schonmal da. Ja, das Wetter ist wechselhaft, aber es ist trotzdem schön hier, nicht wahr?“ Ein Mann sagt, er hätte wegen des Lärms schlecht geschlafen. Nun ja, kann passieren, sagt der Platzwart und vertröstet ihn auf das nächste Mal. Wir zahlen 17 Euro für eine Nacht im Zelt zu zweit (6 Euro pro Person, 5 Euro für ein Zelt von bis zu 10 Quadratmetern). Harriersand ist jeden Cent wert.