Bei der Suche auf die Frage, welchen Sinn das Leben hat, kommt man an philosophischen Gedanken kaum vorbei. Doch was hat der Dämon des Wissenschaftlers Pierre-Simon Laplace mit den Morden in einer Stadt zu tun? Alles hängt irgendwie zusammen.
In der Mitte des Raumes stehen zwei runde Tische nebeneinander. Die rechte Seitenwand füllen Bücherregale in unterschiedlichen Höhen. An den Fenstern, die zur Bahnhofstraße hinausgehen, kleben Porträts von Shakespeare und Edgar Allan Poe. Es ist das Unterrichtszimmer der Sprach- und Nachhilfeschule von Dr. Stefan Bruweleit.
„Ich habe tatsächlich große Probleme damit, mich mit Sachen zu befassen, die mich nicht interessieren. Bei dem Entschluss, die orientalischen Sprachen zu studieren war mir von vornherein bewusst, dass es schwer werden würde, damit Geld zu verdienen. Aber das störte mich nicht weiter“, sagt er.
Ein Koch, ein Bordellbesitzer und ein Polizist
Der geborene Diepholzer studierte in Köln Islamwissenschaften und Arabistik und in den Nebenfächern Ägyptologie und Romanische Philologie mit Schwerpunkt Italienisch. Ganz nebenbei erlernte er auch Syrisch-Aramäisch, Hebräisch und Persisch. Er gibt in Nordenham Nachhilfeunterricht in Englisch und Deutsch. Und er schreibt Romane und Kurzgeschichten, in denen nicht selten Mörder und Zeitlöcher für Unruhe sorgen.
Ein kleiner Vorgeschmack: In dem Roman „Der alte Marionettenmeister“ spielen ein Koch, ein Bordellbesitzer und ein Polizist die Hauptfiguren. Die drei wünschen sich nichts sehnlicher, als ihr Leben zu beenden. Allerdings wird jeder Versuch von einem nicht näher beschriebenen alten Mann verhindert. Nebenbei zieht ein Serienmörder durch die Stadt. „Das sind nur Randereignisse. In erster Linie geht es darum, die Unabänderlichkeit des Schicksals darzustellen.“ Die skurril anmutende Kombination ist Mittel zum Zweck, um seine Idee auszudrücken, sagt Stefan Bruweleit.
Philosophische Gedanken als Grundlage für die Geschichte
Der 56-Jährige glaubt nicht an den freien Willen des Menschen. Den Grundstein für diese Weltsicht legt ein Erlebnis in der Schulzeit. Der Physiklehrer stellt den Schülern die Geschichte vom laplaceschen Dämon vor. Im Mittelpunkt des Gedankenspiels steht ein Wesen, das in einem abgeschlossenen System lebt. Nichts kann dort hinein oder hinaus. Da der Dämon jedes Molekül kennt, kann er genau vorhersagen, was als nächstes passiert.
„Wenn man das Prinzip von Ursache und Wirkung anwendet, dann kommt man auf die Sicht, dass das Leben von Geburt an vorherbestimmt ist. Alle Entscheidungen sind determiniert“, sagt Stefan Bruweleit. In seinem Roman „Der alte Marionettenspieler“ symbolisiert der alte Mann das in die Wiege gelegte Schicksal. Der Massenmörder ist sein Gegenstück. Er glaubt an den Zufall und wirft deshalb jedes Mal eine Münze, die entscheidet, ob er seine Zielperson erschießt oder sie am Leben lässt.
Wer den Film „No country for old men“ von den Cohen Brüdern gesehen hat, erinnert sich vielleicht an Javier Bardem in der Figur des Auftragskillers, der bei seinen Begegnungen mit anderen Menschen ähnlich vorgeht. Der Koch, der Bordellbesitzer und der Polizist geben letztlich den Versuch sich umzubringen auf und verfallen in den alltäglichen Trott. Sie akzeptieren ihr Leben, wie es eben ist. Er schafft eine ParallelweltStefan Bruweleits literarische Vorbilder sind unter anderen Edgar Allan Poe, Hermann Hesse und Fjodor Dostojewski. „Poe war der erste Autor, den ich während der Schulzeit freiwillig gelesen habe. Nicht, weil das Buch zur Pflichtlektüre gehörte, sondern weil er mich faszinierte“, sagt er. Dazu kommt das Interesse an Sprachen und der Wunsch, andere Kulturen kennenzulernen.
In seinen Romanen schafft der Autor eine Parallelwelt, unabhängig von Ort und Zeit. Die Sprache ist von der Literatur der Romantik geprägt. „Mich interessiert der Mensch, der seinen eigenen Weg geht, mit seinen Ecken und Kanten. Ausgeglichene Leute schreiben in der Regel nicht Werke, wie Edgar Allan Poe es getan hat“, sagt Stefan Bruweleit.
Inspektor Kolluvies löst keinen einzigen Fall
Die scheinbare Schwere der Bücher durchzieht ein hintergründiger Witz. Zum Beispiel schafft Stefan Bruweleit mit der Serie um Kriminalkommissar Kolluvies eine Parodie auf Arthur Conan Doyles Figur Sherlock Holmes. Kolluvies hat, ebenso wie sein literarisches Vorbild, einen messerscharfen Verstand, löst aber keinen einzigen Fall. Das lateinische Wort Kolluvium bedeutet so viel wie durcheinander wischen. Weil er zu komplizierten Erklärungen neigt, übersieht der Inspektor die ausschlaggebenden Beweise und richtet mehr Schaden an als der Mörder.
Und wie wäre es thematisch mit hintergründiger Kritik an der Gesellschaft oder der Gewalt? „In der modernen Literatur wird gern auf Probleme und Missstände aufmerksam gemacht. Das gefällt mir nicht. Dafür sollte, meines Erachtens, Kunst nicht herhalten. Kunst muss keine Aussage machen, sondern nur Menschen erfreuen. Das reicht“, sagt Stefan Bruweleit. Leseproben seiner Schriften und Bücher sind unter Mephistopheles-verlag.com zu bekommen.