Worum gehts? PQ UTM 61/22 und 61/23
Im Landstrich Butterburg, ehemals eine Perle der Bauernwirtschaft, wurde 1970 mit dem Zählen der Einwohner aufgehört (zumindest auf Wikipedia). Auch dieses Gebiet schreibt eine Geschichte über den aussichtslosen Kampf ums Überleben der Gehöfte.
Der Hof der Familie Schwarting verfällt seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Familie ist inzwischen ins Dorf gezogen, die Kinder sind langsam erwachsen. Ein Nachbar verwies auf das Reetdach des Haupthofes, ein scheinbar nicht mehr zu tragender Kostenfaktor. Die Dachbedeckung hat eine Lebenserwartung von 30-50 Jahren. Wenn es nach Ablauf dieser Zeit erneuert werden muss, geht das gehörig ins Geld. Wie kommt das?
Reet, Riet, oder Schilf, wächst überall an den Wegen, an Material sollte es nicht mangeln. Denkt man. Vor hundert Jahren galt ein Reetdach als „arme Leute“ Dach. Wer es sich leisten konnte, wählte Ziegel. Inzwischen ist die Nachfrage nach natürlichem Riet in Deutschland größer als das Angebot und so werden Schilfbündel, vor allem aus Ungarn, Rumänien und der Ukraine, importiert. Bei Importware ist die Qualität schwerer zu garantieren. Zum Beispiel sind zu hoch abgeschnittene Rohre nicht so widerstandsfähig wie tief geschnittene. Unten im Stängel ist der für die Verholzung verantwortliche Ligninanteil höher als oben. Und beim Reetdach ist es genau dieser Teil des Rohrs, der später vorrangig mit Regen in Berührung kommt und besonders robust sein muss.
Seit 2014 ist das Handwerk der Reetdachdeckerei Teil des UNESCO Kulturerbes. Es kommen weitgehend klassische Werkzeuge und keine Maschinen zum Einsatz. Das Eindecken mit Schilf dauert im Schnitt fünf mal länger als mit konventionellen Ziegeln. Jede DO-IT-YOURSELF Mentalität gerät hier an ihre Grenzen. Ist man dennoch bereit die Kosten zu tragen, folgen hohe Versicherungsbeiträge (Brandgefahr) und eine angeratene jährliche „In-Augenscheinnahme“ die den Befall mit Pilzen und Bakterien, und damit frühzeitiges Altern, verhindern soll.
Aber vorher, bevor das Dach kaputt ging, die Milchpreise sanken und der Bauer langsam die Lust verlor? War da alles gut? Mitnichten.
Ein Zeitungsartikel von 2008 erzählt, dass sich der Landwirt damals mit einem Gesuch an die Stadt Nordenham wandte um die Butterburger Brücke sanieren zu lassen. Diese Brücke war zu baufällig um die LKWs der Milchtransporter, die zu seinem Hof gelangen mussten, zu tragen. Die LKWs nahmen daher einen Umweg den wiederrum der Bauer zahlte. Teilweise kamen neue Verträge mit anderen Milch-Abnehmern nicht zustande, da der Hof zu schwer erreichbar war. In seiner Not schlug der Landwirt der Stadt vor, einen Großteil der Kosten der Sanierung zu übernehmen. Er musste fast ein Jahr auf eine Antwort warten. Was ihm dabei an Erträgen durch die Lappen ging, wird nicht erwähnt. Irgendwie traurig, oder?
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