Worum geht´s? PQ UTM 65/21-24 Spaziergang von Großensiel bis Kleinensiel
„Entweder ersäuft uns das Meer, oder wir ertrinken hinter dem Deich…“
Deiche sind an der Küste alltäglich. Wir brauchen sie, um Land und Menschen vor Sturmfluten zu schützen. So weit die Definition. Nun gibt es Brauch und Aberglaube. Einer davon besagt, dass in einen neu aufgeschütteten Deich ein lebendes Tier eingegraben werden muss, um den Deich zu sichern. Falls jemand einmal ein totes Tier in einem Haus (was wahrscheinlicher ist, als es im Deich zu finden) entdecken sollte: Es handelt sich fast sicher um ein Bauopfer. Zumindest, wenn dieses unsichtbar unter dem Fußboden, Herd oder in der Wand eingemauert ist. Mit etwas Glück liegt da kein Hund, sondern eine Ansammlung an Werkzeug, welches der Baumeister entbehren konnte.
Die vielleicht bekannteste Novelle, die sich mit dem Leben am Deich befasst, ist Fontanes „Schimmelreiter“ (erschienen 1888). Empfohlen wird die Lektüre für die Jugend im 8./9. Schuljahr. Warum gerade diese Geschichte zu den ausgewählten gehört, konnte ich nicht eindeutig herausfinden. Reklam-Heftchen wurden in meiner Schulzeit zu Tode diskutiert. Ein Interpretationsbuch half, das ersparte die oft vom Lehrer abgewehrte eigene Auslegung, machte aber auch den letzten Lesespaß zunichte.
Ein wichtiges Detail des „Schimmelreiters“ behandelt die Form des Deiches. Bis vor wenigen Jahrzehnten war es Gewohnheit beide Deichseiten steil ansteigen zu lassen. Damit prallten die Wellen mit voller Wucht auf einen Widerstand. Brach der Deich, war das dahinter liegende Ackerland versalzen, Häuser unter Wasser, Menschen und Vieh verloren ihr Leben. Inzwischen wird die, dem Meer zugewandte Seite des Deiches, flacher angesetzt. Die Wellen haben einen längeren Bremsweg, die Deiche sind sicherer.
Ich stapfe ein Stück auf dem Deich entlang, dann biege ich über die Wiesen ab, zur Weser hin. Im Sommer weiden hier Schafe, an Tagen wie diesen bin ich allein unterwegs.
Der Strand von Kleinensiel gilt als heimischer Tip. Die Wasserqualität der Weser schwankt, wird aber als gut eingestuft. Außerdem ist der Badeplatz rund um die Uhr geöffnet. Ganzjährig treibt es vor allem Hundebesitzer in die Gegend. Vom ehemaligen Fähranleger können Fußgänger am Strand entlang schlendern, um dann in einer leichten Linkskurve über die Wiesen entweder Richtung Deich, oder im Rundweg, zurück zur Straße gen Dorf zu gelangen. Kleinensiel besteht aus ein paar Straßen und wird innig geliebt:
„Gleich hinter hohen Deichen am schönen Weserstrand, da liegt ein kleines Dörfchen im grünen Marschenland.
Du bist nicht Hamburg, Bremen, für uns musst Du´s nicht sein, du kleines Hafendörfchen, wir lieben dich allein.
Oh Kleinensiel, oh Kleinensiel du kleines Dorf am Meer, die Menschen die hier leben, die lieben dich so sehr.
Umweht von Wind und Wellen, hört man die Möwen schreien, das Wasser kommt und geht, so wird es immer sein.
Oh Kleinensiel, Oh Kleinensiel, du kleines Dorf am Meer, die Menschen die hier leben, die lieben dich so sehr.“ – Anonymer Verfasser
Sehen wir uns das Wasser genauer an. Die Weser enstpringt in Hann-Münden. Bis hinauf zur Küste verläuft der Weser-Radweg. Im Sommer 2020 bin ich diesen Weg mit meinem Freund gefahren. Was mir im Gedächtnis blieb ist, dass noch im ersten Reiseabschnitt konstant und beidseitig der Weser Campingplätze und Einkehrmöglichkeiten (idyllisch am Fluss gelegen) auftauchten. Dann mäanderte die Weser auf der Höhe von Hameln/Minden sehr schön, alles war grün-bunt belaubt. Der Weg lief wie geschmiert. Das letzte Stück Unterweser, zwischen Bremen und Nordenham, war durch stürmischen Gegenwind, und durchgehend schlechtes Wetter, gekennzeichnet. Es fühlte sich gleich nach Zuhause an.
Wer bis hierin gelaufen ist, kann die Deichstraße in Kleinensiel besuchen. Dort werden „Bücher zum Mitnehmen“ angeboten, schön für zuhause, mit Ostfriesentee.