Erinnerungen an Weihnachtsfeste aus der Kindheit sind oft vage. Gesichert ist die Ungeduld vor der Bescherung, die Geschenke waren riesig. Alte Fotos sprechen Bände. Und aus kleinen Prinzessinnen werden Erwachsene.
Da war sie wieder – noch so eine Idee aus der Redaktion. „Lasst uns alle eine schöne Weihnachtsgeschichte schreiben“- Ach nee. Leider war es kein Vorschlag, sondern ein Auftrag. Eigentlich mag ich die Weihnachtszeit mit ihren Lichtern und besonderen Geschmacksnoten von Zimt und Nelke. Ich vertreibe mir die dunklen Tage mit dem Besuch des Marktplatzes und bei Kerzenschein zu Hause. Die eh knappe Zeit geht mit der Suche nach irgendwie passenden Geschenken drauf.
Die Aufgabe, eine Weihnachtsgeschichte zu schreiben, schob ich erstmal beiseite. Auf Krampf dichten, um das Schöne auf einen Abend zu datieren, das wollte nicht passen.
Ein vergilbtes Foto, aber ein Meisterwerk
Während ich noch grübelte, was ich preisgeben möchte, fiel mir ein Foto ein – es musste irgendwo in meinem Schuhkarton mit Erinnerungsbildern liegen. Die Aufnahme stammt aus dem Wohnzimmer im Haus meiner Eltern. Farblich schon etwas ausgewaschen. Vorherrschend sind die damals modernen orange-braun-Töne und ein tiefes Blau. Die Farbpalette liegt auch am Licht, es ist schließlich Abend. Der Heilige Abend.
Bemerkenswert, und Grund für die Aufbewahrung des Schnappschusses, ist die Komposition. Ein fotografisches Meisterwerk. Opa Fritz sitzt im Hintergrund auf dem Sofa. Vor ihm der voll beladene Kekstisch, links von ihm eine stattliche Tanne, mit Lametta und Girlanden. So war das damals – Weihnachten wurde aufgetragen. Opa, schick im Anzug, lächelt für die Kamera, scheint sich aber ansonsten nicht um die Aufregung zu kümmern.
Im Gegensatz dazu ist weiter vorn im Bild meine Mutter zu sehen: Sie schaut auf die Geschenke am Boden und führt gerade die Hand in einer Mischung aus Überraschung und Schreck vor den Mund. Wie in einer perfekten Collage der Generationen bin ich als jüngstes Mitglied vorn im Bild zu sehen.
Auf meinem nagelneuen, blauen Fahrrad sitzend, deute ich einen Tritt in die Pedale an. Dabei habe ich ein aufmüpfiges Lächeln im Gesicht. Ich erinnere mich nur durch das Foto an diesen Moment, leider. Das weinrote Kleidchen konnte ich allerdings damals schon nicht ausstehen. Entweder ich musste es tragen oder ich wollte meiner Mutter einen Gefallen tun.

Traum aus Tüll und Perlen
Und nun ein Sprung in der Zeit. 2011 besuchte ich mit meinem damaligen Freund und seiner Tochter Paula meine Mutter zu Weihnachten. Wir Erwachsenen schenkten untereinander nur Kleinigkeiten, aber für Paula lagen mehrere Pakete unter dem Baum. Tagsüber waren wir noch im Schnee herumgestapft, dann wurde es Zeit sich zurechtzumachen.
Paula erschien in einem Träumchen aus lila und rosa Tüll. Die Ärmel pufften, die aufgenähten Perlen und Steinchen glitzerten. Auf dem Kopf trug sie einen passenden Schleier im hellblonden Haar. So saß die kleine Vierjährige umgeben von buntem Geschenkpapier neben dem Weihnachtsbaum. Sie sah aus wie ein Engel – war aber, so betonte sie, eine Prinzessin. Darüber lässt sich nicht streiten.
Diesmal waren wir eine Generation weiter gerutscht – bestehend aus meiner Mutter, mir und Paula. Ein Foto existiert nur von ihr an diesem Abend. Das letzte Mal als ich mit Paula sprach, überlegte sie, ob sie Innenarchitektur studieren oder vielleicht lieber bei der Kriminalpolizei anfangen wolle. Rosa gehört nicht mehr zu ihren Lieblingsfarben. Etwas von einem Engel hat sie für mich allerdings immer noch. Kinder, wie die Zeit vergeht.