Bei uns in der Wesermarsch lebt seit Jahrzehnten der Kaiser der Wikinger. Einfluss und Macht scheren ihn herzlich wenig. Seine Themen sind Liebe, Frieden und Freiheit. Butjatha war ein Beuys-Schüler. Heute lebt er mit der Natur in Moordorf.
Huntorf, Butteldorf, Moordorf- die Dörfer ziehen vorbei. Weiden und einzelne Bauernhöfe. Schon aus der Ferne sind sechs kleine Häuser zu erkennen: apfelgrün, gelb, rosa und orange. In diesem Komplex aus ehemaligen Wachhäusern der Bundeswehr lebt der Künstler Butjatha. Vielen Menschen in der Region wird er indirekt durch seine Skulptur des Kaiserthrons am Dangaster Strand bekannt sein.
Ein Schüler von Beuys
Butjatha, alias Wilfried Gerdes, wurde als 13. Kind in Eckwarderhörne geboren. Er ist Schüler von Joseph Beuys und Anatol Herzfeld. 1977 baut er auf der Weltkunstschau Documenta in Kassel seinen Friesenschuppen auf und ernennt sich zum Kaiser der Wikinger.
Ein Größenwahnsinniger? Weit gefehlt. Die Redakteurin kennt den Freigeist, seit sie über seine Aktion im Museum von Nordenham „Butjatha bietet Kunst, was bieten Sie?“ berichten konnte. Den Erlös aus dem Verkauf seiner ausgestellten Werke spendete er an Fussel – dem Verein, der krebskranke Kinder und deren Familien unterstützt.
Ein Bronzeschild in Form einer Margerite markiert die Zufahrt zum Grundstück. Das Wohnhaus hat eine Glasfront. An den Seiten der Fenster blüht es himmelwärts. Die Tür ist offen, niemand ist zu sehen. Tische bepackt mit Papier, Karton und Holzstücken begrüßen. An einer quer durch den Raum gespannten Leine hängt ein Hemd.
Politik und Fussball
Butjatha kommt aus der Küche nebenan und redet los: „Schön, dass du da bist. Ich bin gerade ziemlich unzufrieden. Jetzt belegt die AfD im Deutschen Bundestag schon rund 100 Sitze. Ich kann das gar nicht ab. Das ist das Schlimmste, was wir in unserer Kultur haben. So ein Gesocks.“ Politisch ist er auf der Höhe.
Auf meinen Wunsch hin macht er Kaffee. Das heiße Wasser gießt er per Hand durch einen Papierfilter, der auf einer Kanne balanciert. In den Regalen entdecke ich ein Bild von Helge Schneider. Neben einer Orange liegt eine Zahnbürste.
Butjatha zeigt auf eine weiße Platte: „Das wird mein neuer Auftrag. Ein Paar möchte ein Porträt von sich. Es werden zwei Margeriten, die sich zueinander neigen. In Blau und Gelb. Die Farben stehen für die Ukraine. Es wird ein Bild ohne Gesichter – ich revolutioniere die Porträtmalerei.“ Er kichert.
Die Margerite gehört, wie die Figur des Deichgeistes und des Liebesvogels, zur Symbolsprache des Künstlers. Alle seine Bilder zeigen ein oder mehrere dieser Elemente. Sie stehen für Glück, Liebe und Frieden. Das sind Themen, die Butjatha immer wieder umtreiben.
Was ist Kunst? Butjatha ist 80 Jahre. Die Zeit mit Joseph Beuys und Anatol war unbeschwert, sagt er. Da hat er gelernt, was Kunst ist. Und zwar muss jeder Mensch für sich herausfinden, was ihm guttut. Der Typ sein, der man sein will. Um dahin zu kommen, braucht es Zeit und Übung – wie beim Sport. „Sich hinsetzen und warten bringt nichts. Man muss anfangen und dranbleiben“, betont der Eckwarder.
Er kramt sein Buch „Friesischer Wikinger“ hervor. Gert Winkler, damals Chef des ZDF, schrieb das Vorwort. Es sind Geschichten aus Butjathas Kindheit – Heuernte, Granatfang und der blanke Hans heißen sie. Auf einer Zeichnung ist Haus und Hof zu sehen. Im Vordergrund ein schiefer Schuppen.
„Das war die Architektur meiner Mutter. So sah das aus, wenn alles aufgeräumt war“, sagt er. Dann signiert er das Exemplar. Es ist ein Geschenk.
Hausmeister für Vögel
Wir machen uns auf den Weg durch den Garten, zu den anderen Gebäuden. Ein Apfelbaum der Sorte Boskop, mehrere Kirschbäume. Ein alter Birnbaum, der in seinem Leben bisher nur drei Früchte getragen hat. Mittendrin ein hölzerner Pfeiler, obenauf mit einem Brett versehen. Dort steht eine Schale mit Sonnenblumensamen und Körnern für die Vögel. Aus Zweigen hat Butjatha neun Benjeshecken zusammengesteckt.
Unter dem Dachsims des Ateliers hängen zehn Nistkästen in einer Reihe. „Ich bin hier nur der Hausmeister“, sagt Butjatha. Dann geht es durch eine dicht gewachsene Schneise zum Eingang. Er zieht ein Bund mit Schlüsseln hervor und öffnet die Tür. Es riecht nach feuchtem Papier und Staub.
Ein Leben mit den Deichgeistern
Aus den eng bestückten Regalen zieht Butjatha eine Malerei. Über zwei menschliche Figuren, die Deichgeister, spannt sich ein Bogen aus Margeriten. Wohin fliegen sie? „Ja, wohin? Es geht alles weiter. Man soll nicht aufgeben“, sagt er. Da ist auch eine Malerei der Edda von Dangast an der Küste. Bronzefiguren mit erhobenen Händen und ineinander verschlungen wuseln durch die Reihen der Bretter.
Wir machen Fotos. Butjatha zieht Grimassen. Still stehen ist nicht sein Ding. „Du musst den Augenblick einfangen“, sagt er. Dann trinken wir noch einen Kaffee. Der ist in der Kanne inzwischen kalt geworden. Macht nichts, das Leben geht weiter.