Zu viel Ordnung im Garten gefährdet gerade im Herbst das Leben der Tiere. Der kleine Fratz ist nur wenige Gramm schwer. Er muss alle zwei Stunden gefüttert werden. Auch in der Nacht versorgt Nicole Schneider die Igelbabys.
Die drei Igel sind quietschfidel. Sie sind nur wenige Wochen alt, haben aber schon die typisch birnenartige Form, die ein gesunder Igel vorweisen sollte. Seit kurzem sind sie in einem Außengehege der Igelstation in Abbehausen untergebracht. Noch vor zwei Wochen war nicht sicher, ob die Jungtiere es schaffen würden, zu überleben.
Nicole Schneider hat am Abbehauser Wischweg 1 eine Igelstation eingerichtet. Seit 2014 kümmert sie sich um verletzte, kranke und unterernährte Igel. Seit 2020 hat sie das Amt der Landschaftswartin für Igel im Landkreis Wesermarsch inne. Das bedeutet, dass sie Ansprechpartnerin für Fragen rund um diese Tiere ist.
Igel sind in ihrer Existenz bedroht
Die drei Igelbabys waren winzig, als sie in der Igelstation abgegeben wurden. Sie wogen jeweils um die 20 Gramm. Die Igelmutter hatte die Jungtiere zurückgelassen, nachdem das Nest mehrmals gestört worden war. Aufgrund ihres Zustandes brachte Nicole Schneider die Igel zunächst im Inkubator unter. Das Gerät sorgt dafür, dass die Körpertemperatur der Tiere konstant bleibt. Die Jungtiere müssen in diesem Alter alle zwei Stunden von Hand gefüttert werden, auch nachts.
Mehrere hundert Igel werden jedes Jahr in der Igelstation abgegeben und gepflegt. Die Tiere sind aufgrund von Umweltfaktoren wie mangelndem Nahrungsangebot und fehlender Nist- und Überwinterungsplätze zunehmend in ihrer Existenz bedroht. In den Monaten August und September gebären Igel ihre Jungen. Deshalb liegt es der 47-Jährigen besonders am Herzen, darauf aufmerksam zu machen, wie die Tiere in dieser Zeit geschützt werden können.
Nicole Schneider kümmert sich seit 2014 um verletzte und kranke Igel. Die Igelstation in Abbehausen ist die Anlaufstation für Notfälle in unserer Region.
Igel gebären im Spätsommer
Ein Problem, mit dem der Igel zu kämpfen hat, ist sein immer knapper werdender Lebensraum. In aufgeräumten Gärten findet er nicht genügend verlaubte Hecken und Gestrüpp, um sein Nest zu bauen. Er nistet daher vermehrt in der Nähe des Menschen, an Hausmauern oder einer Ecke des Carports.
Nicole Schneider rät, in der Brutzeit Blätterhaufen im Gartenbereich nur vorsichtig auseinanderzuziehen, denn möglicherweise sind sie das Nest einer Igelfamilie.
Flüchtet die Mutter, weil das Nest zerstört wurde, kommt sie vielleicht zurück und quartiert ihren Nachwuchs um; frisch geborene Igelkinder können ohne Probleme zwei Stunden ohne Mutter überstehen, ältere Igelkinder sogar sechs Stunden ohne Nahrung auskommen. Doch wenn die Igelmutter in dieser Zeitspanne nicht zurückkommt, brauchen die Igelkinder Hilfe – sie gelten dann als verwaist.
Igel Gandalf wird auf Milben untersucht. Nicole Schneider legt ein Stück seiner Haut auf den Objektträger des Mikroskops. Sie stellt fest, dass das Tier nicht unter Milben, sondern unter Pilzbefall leidet. Gandalf bekommt Bäder verschrieben und zusätzliches Vitamin D. Er kann wieder zurück in den Garten, bleibt aber unter Beobachtung.
Wildtiere gehören nur in Notfällen in menschliche Obhut
Die Mutter säugt den Nachwuchs sechs Wochen lang. Etwa vier Wochen nach der Geburt unternehmen die Jungigel ihre ersten Ausflüge. „Sie gehen auf Erkundungstour. Deswegen ist auch nicht jeder herumstreunende Jungigel ein Pflegefall. Die Tiere haben bis November Zeit, sich einen Speckgürtel anzufressen, dann erst gehen sie in den Winterschlaf“, sagt Nicole Schneider. Bis dahin sollten die Jungigel etwa 600 Gramm schwer sein.
Igeln, die in menschlicher Obhut aufwachsen, fehlt die Lernphase für das Jagen und Überleben in der Natur. Ihr Immunsystem kann sich nicht optimal entwickeln. Nicole Schneider nimmt sie nur auf, wenn sie auf ihre Hilfe angewiesen sind. „Sobald die Kleinen stabil sind, setze ich sie wieder raus. Das Außengehege ist eine Zwischenlösung. Dort können sie sich wie im Kindergarten mit ihren Artgenossen austoben, bevor sie wieder freigelassen werden“, sagt sie.
Diese Jungigel haben es geschafft. Als sie gefunden wurden, waren sie nur wenige Gramm schwer. Sie bleiben noch eine Weile bei Nicole Schneider im Außengehege, um Gewicht zuzulegen, danach entlässt sie die Tiere in die freie Wildbahn.
Wann ein Igel Hilfe benötigt
Tagaktive Igel sind in der Regel hilfsbedürftig. „Letztlich ist aber der Gesamteindruck entscheidend. Einen kranken Igel erkennt man an einer eher länglich dünnen Körperform, während ein gesundes Tier rundlich aussieht. Auch eingefallene oder verklebte Augen sind ein Krankheitssignal“, erläutert die Abbehauserin.
Ein verletzter Igel ist dagegen immer ein Pflegefall. Schon eine kleine Wunde kann zum Tode führen. Das offene Fleisch lockt Fliegen an, die ihre Eier hineinlegen. Aus den Eiern schlüpfen innerhalb von ein bis zwei Tagen Maden. Diese Maden ernähren sich vom lebenden Gewebe des Igels, bis das Tier seinen Verletzungen erliegt.
Ebenso kann die Nahrung zum Problem werden. „Igel sind Fleischfresser. Sie ernähren sich hauptsächlich von Regenwürmern, Käfern und Schnecken. Besonders der chitinhaltige Panzer der Käfer ist für den Igel wichtig. Der Ballaststoff Chitin trägt im Verdauungstrakt des Tieres zur natürlichen Entwurmung bei. In Folge des Insektensterbens finden Igel zu wenig Käfer, dafür umso mehr Schnecken. Aber durch die Schnecken bekommen sie Lungenwürmer“, erklärt Nicole Schneider.
Wer einen Igel aufnimmt, sollte ihm zunächst Wasser und Gelee-freies Katzen- oder Hundefutter anbieten. Für das weitere Vorgehen können sich Finder an die Igelstation oder einen Tierarzt wenden.
Soviel sollte ein Igel wiegen:
- Jungigel ~ bis zum Frühjahr 120 – 750 Gramm (je nach Alter einzustufen)
- August: 120-150 Gramm
- September: ~200 Gramm
- Anfang Oktober: ~ 300 Gramm
- Mitte Oktober ~ 400 Gramm
- Anfang November ~600 Gramm
- Mitte November 750 Gramm
Die Igelstation arbeitet komplett ehrenamtlich. Spenden kommen komplett den Igeln zugute.
Paypal: infoigelhilfenordenham@web.de oder Konto: DE62 1001 1001 2626 1125 81
Kontakt: 0151/72923793