(Foto: Cornelius Bockermann ist der Kapitän der Avontuur. Der Mann hat jede Menge Abenteuerlust und lässt sich so leicht nicht unterkriegen. Das ist angesichts der Kosten/Gewinnrechnung auch nötig. Nur mit vielen Helfern bleibt ein Projekt wie die Avontuur am Leben).
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Die Reise geht, wohin der Wind uns weht. Na, ganz so locker ist es nicht auf dem Segelschiff, von dem hier berichtet wird. Aber die Stimmung in der Mannschaft ist einmalig. Wer Lust auf ein ganz besonderes Abenteuer hat, kann mitfahren.
Im Braker Kaiserhafen liegt ein zweimastiges Segelschiff von 1920, die Avontuur. Die Männer an Bord tragen alle Arbeitsanzüge. Es wird emsig geschweißt und montiert. In zwei Monaten, Anfang November, soll der Schoner wieder in See stechen. Das erste Ziel der Besatzung sind die Kanaren, dann geht es weiter nach Mexiko. Angetrieben wird die Avontuur nur durch Wind und Segel.
2014 kauft Cornelius Bockermann das Schiff. Der Kapitän will ein Zeichen setzen. Statt Termine einzuhalten, will er ohne Verbrennung von fossilen Brennstoffen, Waren von und nach Übersee transportieren. Eine verrückte Idee? Nicht, wenn man seine Geschichte kennt.
Von Wurthfleth nach Nigeria
Aufgewachsen ist Cornelius Bockermann in Wurthfleth bei Hagen im Bremischen. Der Sohn eines Mechaniker-Meisters will raus aus dem Dorf. Er folgt den Fußstapfen seines Vaters und lernt dies und das im Bereich der Mechanik. Durch Zufall trifft er auf die Crew der Outlaw, ein Schiff, das Fahrten mit schwer erziehbaren Jugendlichen macht. Er arbeitet zwei Wochen an Bord. Dann fragt man ihn, ob er mitfahren will.
Der junge Mann lässt sich zum Matrosen ausbilden und besucht die Seefahrerschule in Leer. Er macht sein Patent zum Kapitän für die mittlere Fahrt, sie umfasst die Genehmigung fast alle europäischen Häfen anzusteuern. Anschließend holt er das Fachabi nach und erwirbt die Befugnis, Schiffe auf allen Weltmeeren zu fahren.
Nach wenigen Jahren auf See bleibt er der Liebe wegen in Nigeria hängen. Cornelius Bockermann leitet Werften und betreibt zehn Jahre lang eine eigene Schleppreederei, die Bergungsarbeiten ausführt und Wracks hebt. 23 Jahre später wandert er mit seiner zweiten Frau nach Australien aus.
Ein Segelschiff für Transporte von Cap zu Cap
„Mir fiel auf, dass das Great Barrier Reef den Bach runtergeht. Ich hatte einfach Lust, etwas dagegen zu tun“, sagt er. Mit der Ruhe ist es nun vorbei. Sein Plan ist, zwischen Cairns und Brisbane eine Transportlinie aufzuziehen. Ein Segelschiff soll Ladung von Cap zu Cap bringen.
Cornelius Bockermann findet ein passendes Exemplar in den Niederlanden und kauft es. Die Avontuur soll innerhalb von sechs Monaten umgebaut sein und nach Australien segeln, um dort ihren Dienst aufzunehmen. Aus sechs Monaten werden anderthalb Jahre. Statt der veranschlagten 600.000 Euro kostet der Umbau 1,8 Millionen. Nach Australien ist die Avontuur nie gekommen. Aber Cornelius Bockermann wäre nicht Kapitän, wenn er bei Schwierigkeiten aufgeben würde.
Die Mannschaft beschließt, selbst Handel zu treiben. 10 Prozent der Ladung besteht aus Kaffee, Rum und Kakao. Die Waren sollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie die alltäglichen Güter den Weg zu uns finden und was getan werden kann, um ein Umdenken im Seetransport anzustoßen.
„Die Häfen konkurrieren miteinander. Da geht es nur um Profit. Der Seetransport soll in den kommenden Jahren weiter steigen. Ich sehe keine Veränderung in Richtung Klima- und Umweltschutz. Und wo sollen die Ressourcen herkommen?“, sagt Cornelius Bockermann. Die Aktion macht das Projekt bekannt, kostet aber viel Zeit und Geld. Beides ist rar.
„Bevor Frachtwagen die Autobahnen verstopften, gab es Schiffe wie dieses zuhauf. Wir befördern inzwischen Waren für Firmen von A nach B.“ 2020 besteht die Crew aus einem festen Team. Das Schiff ist Eigentum der ASC, Avontuur Shipping Company auf den Seychellen. Betrieben wird es von der Timbercoast GmbH, die den Betrieb durch das Handelsgeschäft subventioniert.
Cornelius Bockermann findet zudem einen großen Investor. Alles sieht gut aus für die Mission der Avontuur. Nur verliert der Geldgeber unerwartet das Interesse. Die GmbH muss das Darlehen zurückzahlen und meldet im Dezember 2020 Insolvenz an.
Im selben Jahr gründet Cornelius Bockermann eine neue Firma – und rutscht mitten rein in die Coronakrise. „Es war zäh, wie ein Lauf durch den tiefen Matsch der Wesermarsch. Es gab aber keinen anderen Weg, als weiterzumachen“, sagt er.
Die alte Dame braucht eine Pause
Elektriker, Klempner, helfende Hände werden aktuell für die Instandsetzungsarbeiten dringend gesucht. Für einen entsprechenden Lohn fehlt allerdings das Geld. „Mit so einem Schiff kann man ein kleines Vermögen machen, wenn man vorher ein großes hatte“, scherzt der 65-Jährige.
Ein heutiger Frachter mit 7.000, 8.000 Tonnen Fracht entspricht dem, was früher Schiffe mit rund 120 Tonnen waren. Die Avontuur hat eine Frachtkapazität von 114 Tonnen. Um Waren nach heutigen Standard wirtschaftlich über den Atlantik zu transportieren, müsste sie mindestens 1000 Tonnen laden. „Wir wollen nicht mit den großen Containerschiffen konkurrieren, sondern zeigen, dass ein emissionsfreier Handel möglich ist“, sagt er.
Die alte Dame ist seit 8 Jahren fast ununterbrochen unterwegs. Rund 160.000 Meilen hat sie auf den Meeren zurückgelegt, dabei 24-mal den Atlantik überquert. Das Schiff braucht eine Grundüberholung. Das bedeutet: ein paar Monate Arbeit und wieder jede Menge Kosten. Auch die Segel müssen mal wieder erneuert werden. „Die Leute denken ‚Der Wind ist ja umsonst‘. Nein, die Segel kosten uns im Jahr im Schnitt 20.000 Euro, reiner Verschleiß“, sagt Cornelius Bockermann.
Die Liebe zur See ist ansteckend
Sein Bruder Thomas lebt eigentlich auf Teneriffa. Zurzeit ist er in Brake und hilft, wo er kann. Decksmann Klausi kommt durch eine Reportage über das Einhandsegelrennen Vendée Globe zum Team. Er sieht, wie ein Teilnehmer nach geglückter Umseglung des Kap Horn eine Flasche Rum öffnet. Auf dem Etikett prangt die Avontuur. Der Segler erzählt, von dem Projekt. Klausi googelt es und stellt fest, dass Mitsegler gesucht werden, die anpacken können. Drei Wochen nach seiner Berentung findet er sich im Januar 23 auf der Avontuur wieder. Seitdem hat er mehrere Fahrten begleitet.
Der erste Offizier, Jonas, hat gerade eine Kindergartengruppe durch das Schiff geführt. „Das wird die nächste Generation Vollmatrosen“, sagt er. 2017 half der ehemalige Sozialarbeiter für zwei Wochen auf dem Schoner aus. Mittlerweile macht er eine Kapitänsausbildung für kommerzielle Segelschiffe.
Die weitere Mannschaft für die Novemberfahrt nach Teneriffa und bis nach Mexiko steht noch nicht fest. Cornelius ist spät dran mit der Suche. Das Besatzungszeugnis gibt vor, wie groß die Mannschaft sein muss, um die Avontuur über den Atlantik zu segeln. Unter deutscher Flagge sind acht zertifizierte Crewmitglieder vorgeschrieben. Seit das Schiff unter der Flagge der Seychellen fährt, reichen offiziell vier Mann. Die Avontuur sticht mit mindestens sechs erfahrenen Berufsseeleuten, Männern und Frauen, in See.
Internationale Crew: Wer fährt mit?
Die feste Crew bringt den Mitseglern alles bei, was sie wissen müssen. Sie sollen nach Möglichkeit nicht extra einfliegen, sondern in der Nähe sein oder leben. Emissionsvermeidung auch hier. Die Teilnehmer müssen körperlich fit sein. Das Schiff ist von 1920 und wird auch so gefahren. Winden und Anker werden von Hand und Muskelkraft betrieben. Im Herbst ist es kalt und stürmisch. 24/7 muss eine(r) am Ruder Wache halten. Die Sprache an Bord und für alle Manöver ist Englisch. Wer mitfahren will, findet alle Reisedaten und Kosten unter: timbercoast.com.
Wie lange die Reise dauert, weiß nur der Wind. Die Bestzeit für die Fahrt von Hamburg bis nach Santa Cruz liegt bei 18 Tagen. Die längste dauerte 49 Tage. Für die Atlantiküberquerung stehen 17 bis 31 Tage auf dem Plan.