*Winnetous Schwester
Eckdaten der Unternehmung: Freunde in Berlin wiedersehen, anschliessend in vier Tagen 80 km, von insgesamt 180 km, der „Märkischen Umfahrt“ paddeln. Die „Märkische Umfahrt“ ist ein Rundweg auf der Spree, Dahme und diversen Seen, die miteinander verbunden sind. Meine Übernachtung soll wahlweise im Zelt oder Auto statt finden. Die nächtlichen Temperaturen sind rasant gesunken. Am Tag der Abreise habe ich einen einigermaßen festen Plan und einen schwirrenden Kopf.
Tag 1: Beeskow-Raßmannsdorf, 11 km
Ich verlasse die Hauptstadt am Sonnabendnachmittag über die „Autobahn der Freiheit“ (heisst tatsächlich so) gen Osten. Die zwei Tage im Berliner Trubel reichen mir schon wieder. In Fürstenwalde, direkt an der Spree neben dem Paddelverein, finde ich einen ruhigen Parkplatz. Nur heute Abend nicht. Da steigt eine 90er Party im nahegelegenen Park.
Der Startpunkt für meine Tour liegt 30 km weiter südlich, in Beeskow. Mit den Apps von Maps.me, der DB und Canua habe ich die Zeiten für An,-Abfahrt, letzten Bus von/nach und Strecke der Paddelabschnitte mehrere Male (gefühlt bis zum „Erbrechen“) variiert und ausgemessen.
Morgens trotte ich, mit dem Packraft auf den Rucksack geschnallt, zum Bahnhof Fürstenwalde, nehme Bus und Zug, und erreiche Beeskow. Bis zum Wasser sind es nur 800 m. Im Park zwischen Plattenbauten baue ich mein Boot zusammen.
Es ist eine Gegend in der die Fußgänger wenig sagen, aber gern gucken. Eine ältere Dame bleibt mit ihrem Hund neben mir stehen und kommentiert meine Montage:“Na, dit is ja ma wat…“ Ich bin froh, als mein Rucksack festgeschnallt auf dem Bug liegt und kontrolliere nochmal den Grasstreifen. Zu gern vergesse ich in der Aufregung Kleinteile, wie den Aufsatz für die Handpumpe.
Der Einstieg in den schmalen Walkmühlengraben ist seicht. Bis auf ein paar Angler sehe ich niemanden, während ich aus der Stadt heraus paddle. Es nieselt ein bisschen, ab und an springt ein Fisch aus dem Wasser. Seerosen schwimmen auf der Oberfläche. Dann wird es still und angenehm einsam. Die Strömung nimmt mich mit, vorbei an Wiesen, Weiden und Erlen.
Die Wettervorhersage war ausgesprochen schlecht. Ich bin eingeknickt und habe mir noch am Abfahrtstag ein Hotelzimmer in Raßmannsdorf gebucht. Schneller als erwartet informiert ein Schild am Flussufer, dass die Zeit zum Ausstieg gekommen ist. Aufgrund einer „Fehlberechung“ lege ich heute nur 11 km zurück. Für morgen bedeutet es dadurch 27 km. Ich schultere mein Kajak und trage es in den Garten.
Unkompliziert bekomme ich mein Zimmer, werde in der dritten Person gefragt, wann ich zu essen gedenke und trolle mich um mir trockene Sachen anzuziehen. Draussen giesst es. Am Abend sitze ich im Bett und gucke „Tatort“. Es giesst immernoch.
Tag 2: Raßmannsdorf – Fürstenwalde, 27 km
Der Tag startet verhangen. Die Aussicht auf 27 km Strecke machen mir etwas Angst. Das führt dazu, dass ich fast ohne Pause paddle. Durchschnittlich erreiche ich 4-5 km/h.
Auch, wenn mir andere Seeleute von regem Betrieb auf den Berlin umliegenden Gewässern berichtet haben, sehe ich keine Menschenseele. Ich erreiche die erste Schleuse bei Neubrück, zur Selbstbedienung. Sie bietet eine Rampe für Kajakfahrer, um das Boot umzutragen. Es regnet wieder (dank Spritzdecke ist mir das derzeit noch egal).
Die zweite Schleuse ist nur für leichte Boote gedacht, hat aber eine Lore zum transportieren. Toll, denke ich, und will mein Stativ rauskramen um die Aktion zu filmen. Als ich gerade aussteige, beginnt es aus Eimern zu schütten. Der Sitz meines Bootes durchweicht, meine Hose ebenfalls, und die Regenjacke wollte ich schon vor der Reise ersetzen. Ich bin genervt, aber sobald ich wieder im Boot sitze und die Spritzdecke hochziehe, wird es erträglich feucht-warm.
Die Drahendorfer Spree mündet in die Fürstenwalder Spree. Ab hier wird es langweilig. Der Fluss ist begradigt, zwar natürlich grün links und rechts, aber recht monoton. Es gibt einen Wegweiser „Zum Streitberg 500m, Restaurant, WC, Unterkunft“. Ich überlege, ob es nicht sinnvoll wäre sich dort mit einem Kaffee aufzuwärmen. Allerdings schwinden meine Kräfte, und ich möchte mir diesen Umweg ersparen, fahre also weiter. Jetzt kommt von hinten ein Floß. Es stellt sich heraus, dass die Gruppe einen Betriebsausflug „zur Stärkung des Zusammenhaltes“ macht. Sie bieten mir etwas zu trinken an: Kaffee, Brause, Bier? Brause, und…den Kaffee nehm ich auch. Irgendwie geht das Zweite unter, und ich bekomme nur die Brause. Ich vertaue mein Boot am Floß und lasse mich, in langsamem Tempo, ein Stück mitnehmen.
Der Skipper war vorher zum Streitberg abgebogen, aber bei dem Wetter, und montags, hat nichts geöffnet. Sieht schlecht für mich aus. Während das Boot weiterzieht, ärgere ich mich über die Gegend. Irgendwann kommt Industrie in Sicht. Ich treffe noch einen spanischen Kanuten der die gesamte Märkische Umfahrt paddelt. Ein toter Biber schwebt auf dem Wasser dahin. Dann erreiche ich Fürstenwalde. Dort steht mein Auto mit trockener Kleidung, Gaskocher und einem Supermarkt. Nur, dass ich die nächsten Stunden praktisch nirgends hin kann, wenn ich keine Dusche will. Vor meinen Augen geht die Welt unter.
Tag 3, Fürstenwalde bis Spreeau, 23 km.
Die mäandernden Schleifen der Spree sind ein echtes Highlight. Am Wehr zur „Großen Tränke“ treffe ich den Spanier nocheinmal. Er hat im Zelt übernachtet und verflucht das Wetter. Während seiner gesamten Fahrt hatte er Glück. Zwischen Sonne und leichtem Regen war alles dabei. Aber diese Nacht…Dios mio..!
In Hangelsberg gibt es einen Imbiss direkt am Fluss (Stufen führen vom Wasser nach oben). Leider ist es um 10.30 Uhr für meinen Geschmack zu früh für Pommes. Im Übrigen scheint es sehr wohl diverse „Einkehrmöglichkeiten“ zu geben, aber sie liegen in den Altarmen und geben sich selten durch Beschilderung zu erkennen. Ich jedenfalls habe den Eindruck eine Marktlücke entdeckt zu haben.
In Spreeau gehe ich an Land, werde zur Schildkröte, und nehme die Öffentlichen zurück nach Fürstenwalde. Wieder übernachte ich neben dem Vereinsgelände. Man kennt mich hier schon, und ich kann meine Wasservorräte auffüllen. Abends trinke ich ein Bier im Restaurant an der Spree und telefoniere mit meiner Mutter. Die hatte mit einem Bekannten in Berlin über das Wetter gesprochen und erzählte ihm von meiner Tour. Wilfried war entsetzt über meine scheinbar prekäre Lage und bot an mich zu retten (Abholung, Bett und Frühstück). Ich geniesse statt dessen den Sonnenuntergang.
Tag 4: Spreeau- Erkner, 18 km
Ich fahre mit dem Auto bis nach Spreeau und steige am gestrigen Austiegspunkt wieder in mein Boot. Die ersten 5-6 km dieses Abschnittes sind unschlagbar. Die Sonne scheint endlich, der Fluss ist schmal und baumüberhangen, eine leichte Herbstfärbung kommt hinzu. Ich bin froh allein unterwegs zu sein und lasse mich treiben. Die Strömung wirbelt das Boot über den Fluss, Schwäne brüten in den gesperrten Seitenarmen der Spree. Ein bisschen Karl May-Gefühl…
Ab Burig nimmt der Verkehr zu. Irgendwann höre ich Flugzeuge die von Schönefeld aus starten. Mehrere Siedlungen, alle mit Bootsanleger, und ein Campingplatz (Jägerbude) ziehen vorbei. Am Dämeritzsee biege ich links ab um zum Abschluss den Gosener Graben zu paddeln.
Es ist windig und, als ein Motorboot vorbeizieht, komme ich mir in meinem Kajak doch sehr verletzlich vor. Ich bin froh den Graben zu erreichen, der für Motorboote gesperrt ist. Anlanden ist auch verboten, Naturschutzgebiet. Da es kühl und der Himmel bedeckt ist, bin ich die Einzige die sich hier herumtreibt. Nach 200m drehe ich um. Der Lärm der Umgebung verdirbt mir die Strecke. Ich beschliesse direkt gen Erkner zu paddeln. Waghalsig, quer über den See.
Ich passiere ein Techno Boot auf dem die Gäste auf 20m2 tanzen, dann wähle ich einen Steg zum Ausstieg. Angekommen ziehe ich mich um, packe alles zusammen (eh alles nass) und schnalle das Boot auf den Rucksack.
Die Busstation in Erkner ist nicht weit. Nach einer knappen Stunde Fahrzeit, erreiche ich Spreeau, steige ins Auto und fahre gen Heimat….bzw in den nächsten Stau, aber das ist eine andere Geschichte.
Infobox:
Wer es einsam mag, paddelt außerhalb der Ferienzeit, in der Woche und bei mäßigem Wetter (:-)
Offizielle und inoffizielle Biwakplätze gibt es genug. Wer das Zelten liebt, sollte keine Probleme haben mit den Verbindungen der Öffentlichen, oder Übernachtungsangeboten. Wer die Öffentlichen im fernen Brandenburg nutzen will, verzichte auf die Sonntage.
Gute App zur Planung: Canua, vom Deutschen Kanuverein erstellt
Hallo, sehr nett geschrieben, hat Spass gemacht die Tour so zu verfolgen. Klasse 😊
Danke! Schön, wenn mal jemand einen Kommentar hinterlässt👍🏻
Hallo Sabrina,
sehr schöne Berichte von dir mit dem Nomad S1!
Ich interessiere mich langfristig für das Nomad S1 mit Spritzdecke, da das Boot schneller sein soll und ich nicht zuviel Gewicht im Vergleich zu den üblichen Touren-Schlauchbooten (Grabner/Gumotex/Itiwit X-500) schleppen möchte.
Bin aktuell mit dem mrs microraft unterwegs und bin vergangene Woche mit meinem kippligen itiwit X-500 4 Tage auf der Oberweser mit Zelt und Gepäck gepaddelt.
Alle Boote werden mit einer max. Rumpfgeschwindigkeit in Tabellen oder auch mit Angaben wie beim Nomad S1…sind mit 6-7 km/h möglich beschrieben.
Ich habe auch schon mit Thomas vom Packrafting Store gesprochen.
Da du anscheinend nicht auf starken Fließgewässern unterwegs bist, würde ich gern aus deiner Praxis erfahren, welche Tagestrecke und Geschwindigkeit mit Gepäck realistisch ist.
Ich bin vergangene Woche mit dem Itiwit X-500 auf der Weser täglich 40km bei ca. 4 km/h Strömung ca. 5 Std unterwegs gewesen und habe mit dem mrs microraft auch 30km bikerafting (habe ich in Packraftig Deutschland gepostet) auf der Iller und Donau über 5 Std. gemacht.
Mit dem itiwit X-500 schaffe ich kurzfristig 7,5 km/h und im dauerhaften Paddelstil 5 km/h. Mit dem mrs microraft 4,5 km/h unter Anstrengung und gut 3 km/h im Tourenmodus.
Bei Gegewind und Gegenströmung wird die Sache bei den Luftbooten schwieriger, ggf. mit dem Nomad S1 etwas besser als beim mrs microraft. Hier haben ja die Grabners und Gumotex auch ihre Limits, da die ja durch die Baugröße eine größere Wind-Angriffsfläche besitzen.
Vielleicht kannst du mir deine praktische Bewertung im Geschwindigkeit und bei Wind mit dem Nomad S1 etwas näher schildern. (Gern auch per Telefon, falls schriftlich zu umfangreich.)
Auch die Sitzbequemlichkeit wäre interessant.
Ausprobieren werde ich das Nomad natürlich auch, bevor ich das kaufe.
Danke dir im voraus.
Grüße aus dem Allgäu
Andreas
0152 55429737
Hallo Andreas,
ich bin kein Profi, daher kann ich Dir nur meine groben Angaben übermiteln. Auf der Jade bin ich bei leichtem Gegenwind, aber mit dem Strom, 6-7km/h gefahren. Das ohne große Anstrengung, aber mit kräftigem Schlag. Das Gepäck, vorn auf den Bug geschnallt, hatte in meinem Fall nur etwa 4kg Gewicht, plus 2kg hinter dem Sitz. Ich habe kein Internal Storage System. Das Nomad S1 wird bei Anfibio mit 6km/h als Durchschnittsgeschwindigkeit angegeben, meiner Meinung nach realistisch. Tagesstrecke—liegt an Deiner Kondition, 27km/4-5km/h auf ruhigem FLuss, war meine „Bestleistung“, ohne trainiert zu haben:-)
Zum aufblasbaren Sitz: Sitzpolster und Rücklehne (verstellbar) sind bequem. Die Rücklehne reicht nur bis zum mittleren Rücken, ist also eher eine leichte Stütze, denn Lehne (finde ich persönlich gut so, und ist ja auch bei „normalen“ Kajaks ähnlich). Manko des Sitzkissens ist, dass es nicht wasserabweisend ist, dh Spritz/Regenwasser, welches ins Boot/auf den Sitz gelangt, zieht in den Überzug und man sitzt irgendwann unweigerlich im Nassen (eine Plastiktüte überziehen, dann ist auch das sicher).
Ich hoffe das hilft Dir weiter! Ansonsten schreib mir gern nochmal.
Alles Gute und „Wasser unterm Kiel“,
Sabrina