Zwei Moins auf Reisen

Juli 17, 2023 Zeitungsartikel

Landgasthöfe versprühen einen speziellen Charme

(erschienen am 18. Juli)

Ich möchte eine Lanze brechen für den Landgasthof. Diese kleinen Betriebe sind vom Aussterben bedroht. Sie brauchen unsere Unterstützung.


Kennzeichnend für ein Original ist die verschrobene Atmosphäre. Dazu gehört das schmucklose Namensschild über dem Eingang, während weiße Gardinen jede Sicht auf die Innenräume versperren. Die Gaststätten werden von Generation zu Generation weitergegeben. Sie bieten oftmals eine begrenzte Zahl an Zimmern zur Übernachtung an. Die Wirtsleute haben schon alles erlebt und bleiben gegenüber den zunehmenden Ansprüchen ihrer Gäste gelassen.


Während meiner Wanderung im Osnabrücker Land hatte ich mir in einem dieser Höfe ein Zimmer gebucht. Es war ein unauffälliger Bau aus rotem Klinker. Er lag direkt gegenüber eines Lidl-Marktes.


Der Eingang führte durch die Gaststube. Mein Blick fiel auf den Zapfhahn einer ansonsten leeren Kneipe. Nachdem der Wirt meine Daten aufgenommen hatte, ratterte er die Fakten herunter: Griechisches Restaurant nebenan, Nachteingang ab 22 Uhr links am Haus, Frühstück zwischen 7 und 9 Uhr, Busverbindungen et cetera. An der Wand hing ein schwarz-weißes Foto seiner Großeltern, die dem Ganzen still zuschauten.


Als mein Gastgeber für einen Moment verschwand, warf ich einen Blick in den Frühstücksraum. Die Tische waren bereits für den Morgen gedeckt. Neben einem der Tische stand ein Klappbett mit einer zurückgeschlagenen Wolldecke. Der Wirt hatte hier wohl gerade noch gelegen. Wie ich später erfuhr, fehlte es an Personal und zum Schlafen blieb wenig Zeit. Nachdem alle Formalien geregelt waren, führte er mich persönlich zu meinem Zimmer. Der Kaffee am Morgen war ausgezeichnet. Vom Klappbett fehlte jede Spur.

Was ich von zwei weißhaarigen Herren am Frühstückstisch gelernt habe

(erschienen am 21. Juli 23)

Ich war mal wieder ein paar Tage auf Schusters Rappen unterwegs und hatte mich für die Nacht im Gasthof „Alte Heimat“ einquartiert. Beim Frühstück saß mir ein Herren-Gespann schräg gegenüber.


„Da sitzt ne Fliege auf meinem Brötchen“, sagt der eine. „Dat jet ja gar nich“, antwortet der andere. Ich schätze die beiden auf etwa 80 Jahre. Aus ihrem Gespräch geht hervor, dass sie zusammen auf Reisen sind. Sie tragen Karohemden und erinnern mich an die Figuren aus der Muppet-Show. Sie wissen, wen ich meine: Die zwei auf dem Balkon, die sich über alles lustig machen.


Irgendwie kommen sie auf ihre Lehre in der Jugend zu sprechen. Einer hatte Elektroinstallateur gelernt, der andere war auf dem Bau tätig. „Wir mussten eine Klingelanlage installieren“, beginnt der Rechte. Sein Gegenüber daraufhin: „Ich habe immer die Vorbohrungen gemacht.“ Er führt nun aus, wie mühsam die Arbeit damals war. Dann fällt ihm sein Freund ins Wort: „Bei der Klingelanlage hat mein Mitarbeiter alle Kabel vertauscht, nichts funktionierte.“


Auch das Gespräch funktionierte so nicht, zog sich aber noch eine Weile hin, indem jeder seinen beruflichen Alltag erläuterte. Erst die Erwähnung eines Handwerksmeisters mit einem Steckschuss in der Stirn, bringt sie wieder zusammen. „Eine tiefe Delle. Mitten auf der Stirn!“ Pause. Erstaunen. „Wie ist das denn passiert?“ „Der war im Krieg.“ „Dann hat er wohl ´nen Helm aufgehabt, sonst wär er ja tot.“ „Wahrscheinlich.“

Sie bestellen noch eine halbe Kanne Kaffee, schweigen einen Moment. Dann beginnen sie die gemeinsame Planung des Tages. Eine gute Freundschaft hält alles aus.

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