Die dreckige Wäsche der Energiekrise

März 25, 2023 Zeitungsartikel

Waschsalons haben in etwa den Charme einer Bahnhofsvorhalle. Sie gelten aber auch als sozialer Treffpunkt. Inzwischen machen die hohen Energiekosten besonders den kleinen Betrieben zu schaffen. Der Inhaber dreier Waschsalons in Essen erzählt, wie er versucht, die Krise zu meistern.


Essen. Der Selbstbedienungs-Waschsalon in Katernberg liegt an einer Durchgangsstraße. Hier reihen sich die großen Supermarktketten aneinander, aufgemischt durch einen 1-Euroladen und verschiedene Imbisse.

Jeden Abend kommt der Inhaber des Salons nach Katernberg, um nach dem Rechten zu sehen und die Räume zu putzen. Er führt einen Ein-Mann-Betrieb.


„Früher wusste ich nicht einmal, wie man eine Waschmaschine öffnet“, sagt Hasan Yilmaz. Heute muss er noch die Störung an einer Maschine beheben. Anschließend wird er nach Huttrop und Frohnhausen fahren. Dort hat er zwei weitere Salons.
Angefangen haben die Schwierigkeiten mit der Corona-Pandemie, sagt er. Die Leute hatten Angst rauszugehen, die Umsätze gingen zurück. Für seine drei Läden bekam er einmalig 9000 Euro Corona-Hilfe. Je länger die Krise dauerte, desto öfter habe er überlegt, alles hinzuschmeißen.


Yilmaz arbeitet zusätzlich als Personalvermittler für eine Zeitarbeitsfirma. Wenn er um 17 Uhr Feierabend hat, fährt er nach Hause zu seiner Frau und den drei Kindern. Gegen 20 Uhr geht es weiter zu den Salons.

Am 1. August 2016 eröffnete der 37-Jährige den ersten Laden in Frohnhausen. Damals bot er den Waschgang für 3,30 Euro an. „Das kann ich längst nicht mehr halten“, sagt er. Ein Waschgang braucht je nach Gradzahl ungefähr 25 Minuten und kostet inzwischen 4,50 Euro.


Die Trockner laufen mit Gas. Das schlägt mit 872 Euro monatlich zu Buche, die Rechnung ist noch frisch im Gedächtnis. Strom? Etwa 750 Euro. Wasser? 450 Euro. Dazu die Miete von 1500 Euro. Der Salon in Katernberg ist sein Sorgenkind. Er mache Minus, sagt Yilmaz. Wie lange kann er diesen Kurs noch durchhalten?


Vom Inneren des Waschsalons kann man durch die breite Glasfront auf die Straße gucken. Gegenüber liegt ein Kiosk. Vor ihm lungern ein paar Jugendliche.


Seine Klientel komme aus allen Schichten – vom Sozialhilfeempfänger bis zum Geschäftsmann, sagt er. In der 24-Kilo-Maschine können seine Kunden auch Teppiche oder Bettdecken waschen. „Die besten Kunden sind die Muttis“, so Yilmaz. Besonders, wenn beide Partner arbeiten, sammle sich bei den Familien über die Woche ein Berg Wäsche an. Am Wochenende werde dann alles zusammengepackt und im Waschsalon gleich mehrere Maschinen auf einmal belegt. Zuhause braucht eine Maschine eineinhalb bis zwei Stunden. In seinem Salon dauert eine Runde Waschen inklusive Trocknen etwa 50 Minuten. Während sich die Trommel dreht, gehen die Paare zum Supermarkt und erledigen ihren Einkauf.


Die Wasch-Lounge hat von 6 Uhr bis 22 Uhr geöffnet. Drinnen riecht es nach Waschmittel. Ein bisschen scharf, mit einer frischen Note. Der Laden ist spartanisch eingerichtet. Eine Reihe schwarzer Plastikstühle ist fest mit der Wand verschraubt. Geradeaus stehen sechs Trockner. An der Seitenwand reihen sich elf Waschmaschinen. Früher standen auch Waschkörbe im Laden. Die seien
zu oft mitgenommen oder kaputtgemacht worden. Einmal hätte jemand seine Arbeitsschuhe mit Stahlkappen in der Maschine gewaschen. Danach war das Glas gesprungen. Ein Schaden von 450 Euro. Die Jugendlichen, die seinen Snackautomat auseinandernehmen wollten, hat er erwischt. Der gebürtige Gelsenkirchner spricht von den Vorfällen mit ruhiger Stimme. Er ist kein Typ, der sich schnell aufregt.


Eine ältere Dame betritt den Salon. Sie sagt, ihre Waschmaschine streike. Der Besuch im Waschsalon ist die Lösung ihres momentanen Problems. Sie leert ihre Taschen mit Klamotten in die Maschine. Dann setzt sie sich auf einen der Stühle und guckt auf ihr Handy.


Hasan Yilmaz ist Geschäftsmann. Er ist Mitglied im bundesweiten Verband der Waschsalonbetreiber. Sie haben sogar einen Präsidenten, sagt er. Die etwa 200 Mitglieder des Verbandes treffen sich mindestens einmal im Jahr. Sie tauschen sich über Neuigkeiten aus und geben sich gegenseitig Tipps zum Umgang mit der Krise.


„Ich weiß nicht, wo die Reise hingeht. Ich kann den Waschgang nicht für sieben Euro anbieten.“ Um Kunden zu binden, verkauft er Rabattkarten mit fünf Prozent Ermäßigung pro Maschine. Vor Monaten schon hat er LED-Lampen im Raum installiert. Die Wartenden können heiße Getränke und Knorr-Suppen aus dem Snackautomaten kaufen. Über einem Desinfektionsspender ist ein Bildschirm angebracht. Es laufen Werbespots von T-Online und die Kurznachrichten. Die Möglichkeiten, ein paar Euros extra zu verdienen, sind ausgereizt.


Besonders schwer trifft den Betreiber das Gesetz, die Waschsalons an Sonn,- und Feiertagen geschlossen zu halten. Bundesweit gelten unterschiedliche Regeln. In Nordrhein-Westfalen bleiben die Waschsalons an diesen Tagen dicht. Er habe das Gesetz eine Weile ignoriert, bis ihn ein Konkurrent verpfiff. „Ostern war immer Gold“, sagt Yilmaz. Selbst sein Verband habe sich beim Bundestag dafür eingesetzt, das Verbot aufzuheben, vergeblich.


Er schüttelt den Kopf. Sein Ziel sei es gewesen, mit vierzig den Vollzeit-Job an den Nagel zu hängen und von den Einnahmen durch die Waschsalons zu leben. Inzwischen überlegt er, den Betrieb in Katernberg einzustellen. Der Verband der Wasch-Center-Betreiber schätzt die Zahl der Selbstbedienungssalons in Deutschland auf 600 Stück. Tendenz sinkend.


Die Frau, die ihre Wäsche gewaschen hat, ist längst verschwunden. Hasan Yilmaz will nun erstmal die Maschine reparieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Kategorien