Wie Florian Rucki den richtigen Ton traf

April 15, 2023 Zeitungsartikel

Wenn Florian Rucki seine Kleidung für den Auftritt mit der Band „The Muschels“ anzieht, geht eine Verwandlung in ihm vor. Seine Sprache verändert sich, wird rauer, seine Gesten ausgeprägter. Er schlüpft in die Rolle des Sängers, der sein Publikum mitreißen wird.

Eigentlich sang er nur im Auto

Rucki singt seit ziemlich genau zehn Jahren in verschiedenen Bands. Davor hatte er, wie er sagt, „mit Musik nicht viel am Hut“. Nur sein Vater spielte Schlagzeug, da war Rucki noch ein Kind. Und so kam es, dass er seinen Vater 2012 zu einem Treffen der ehemaligen Bandmitglieder begleitete. Die Herren spielten schon lange nicht mehr regelmäßig zusammen, aber an diesem Abend sollten die alten Zeiten aufleben. Die Gruppe wollte ein bisschen „jammen“. Es fehlte allerdings der Sänger. Spontan übernahm Rucki diesen Part. Und das funktionierte erstaunlich gut. „Da habe ich Blut geleckt“, sagt er.

Von nun an besucht er regelmäßig Livekonzerte im Leher Kulturzentrum Shiva. Begeistert von der Musik wächst in Rucki der Wunsch, selbst auf der Bühne zu stehen. Er versucht sich am Bass, an der Gitarre und als Schlagzeuger. Bis heute könne er jedoch keins der Instrumente wirklich gut spielen, sagt er.

Die erste Band würfelt sich zusammen

Durch mehrere Zufälle gründet er seine erste Band. Ein Kollege erzählt, dass er schon lange Lust habe, Bass zu spielen. Rucki übergibt ihm seine gesamte Ausrüstung, bestehend aus Bass, Verstärker und Lehrbuch. Nach wenigen Wochen hat der Kollege gute Fortschritte am Instrument gemacht. Als dann noch der Bruder einer Arbeitskollegin als Gitarrist einsteigt, ist die Band „Weg 69“ geboren. Der „Weg 69“ ist die Adresse des damaligen Proberaumes im Schrebergarten in Reinkenheide.

Die nächste Band besteht aus erfahreneren Musikern. „Empire of Dirt“ schafft es in vier Jahren auf die Bühne im Shiva. Das Kulturzentrum markiert den Beginn von Ruckis Sängerlaufbahn.

Bei den Auftritten spielt Vertrauen eine große Rolle

Gesangsunterricht hat der heute 42-Jährige nie genommen. Zwar ließ er sich eine Zeit lang Tipps und Tricks von Professionellen geben, „aber für mich war das nichts. Ich muss das aus dem Bauch raus machen“, sagt er.
Bei den Auftritten liebt der gebürtige Bremerhavener das Gefühl, die Band wie eine Wand hinter sich zu haben. „Wenn ich den Ton mal nicht treffe oder sich ein Musiker verspielt, kann ich darauf vertrauen, dass die Band das auffängt“, sagt er. Die Musik schaffe es auf eine ganz eigene Art, ihn mit Menschen zu verbinden.

Beispiel Udo Lindenberg

Der private Florian Rucki und sein Auftritt auf der Bühne, „das sind zwei verschiedene Dinge“. Eines seiner musikalischen Vorbilder ist Udo Lindenberg: „Von der Gesangstechnik ist der kein Überflieger. Aber was er sich erlauben kann, weil die Leute ihn mögen. Es ist diese Verbindung mit dem Publikum, die mich fasziniert.“
Mit der Band „The Muschels“ stimmt die Chemie besser als je zuvor, sagt er. Die Gruppe ist bekannt für ihre Showeinlagen und eine starke Publikumsansprache. „Wären wir eine knallharte Metalband, dann würde das bedeuten, immer wieder diesem Anspruch gerecht werden zu müssen. Als ,The Muschels‘ verzeihen die Zuschauer uns viel mehr. Wir dürfen Quatsch machen“, so der gebürtige Bremerhavener.

Schanghaid in der Kneipe

Zu den „Muschels“ kam der Sänger buchstäblich über Nacht. Es war spät geworden beim Zug mit einem Kumpel durch die Kneipen der Stadt. Rucki wollte eigentlich nach Hause und ließ sich nur mit Mühe überreden, noch auf ein letztes Bier mit in „Kuddels Kneipe“ zu kommen. Dort saß der Schlagzeuger Frank Pfeifer, ein Freund von Ruckis Begleitung. Spontan fragte der Musiker, ob Rucki Lust habe, Seemannslieder bei den „Muschels“ zu singen. Das gewaltsame Rekrutieren eines Matrosen nennt sich in der Sprache der Seeleute schanghaien. Für Rucki war es ein Glücksfall. Seit diesem Abend sind drei Jahre vergangen und die Band hat zahlreiche Gigs zusammen gespielt.

Aus Bremerhaven will er nicht weg

Eine Liedzeile, die der Sänger über seine Heimat geschrieben hat, lautet: „Bremerhaven, alles grau in grau, aber das interessiert hier keine Sau.“ Er sagt dazu: „Bremerhaven ist eigentlich nichts Besonderes. Du musst hier nicht bunter sein als andere, wie in manchen Großstädten. Das gefällt mir.“
Im Shiva tritt die Band mindestens einmal im Jahr auf. „Wenn der Raum gefüllt ist mit Leuten, es nach Bier riecht und der Boden klebt…das mag ich.“ Die Vorstellung, allein von der Musik zu leben, sei zwar verlockend, aber er befürchte, durch den Druck den Spaß an der Sache zu verlieren. Eigentlich sei alles gut, wie es gerade ist, so der Sänger.
Nächsten Monat heiratet Florian Rucki. Die standesamtliche Zeremonie findet auf der „Schulschiff Deutschland“ statt. Zur anschließenden Feier geht es, wie könnte es anders sein, ins Shiva.

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