Road Trip ins Wochenende

Wetter Apps gibt es eine Menge. Jede hat ihre eigene Wahrheit. Das geht so weit, dass mein Freund und ich beschliessen einfach los zu fahren. Trotz Regen, Gewitter, nass-kalter Vorhersage. Im Gepäck die Vignette von “Landvergnügen“, einem Angebot von etwa 1000 Höfen in Deutschland dort mit einem Camper zu übernachten. Das Ganze für “lau”, bzw für eine geringe Nutzungsgebühr der Dusche, das (freiwillige) Frühstück im Hofcafe, oder der Gemüsekiste zum Mitnehmen. Die Anbieter sind sehr verschieden: Man wähle zwischen Lamazüchter, Bio-Gemüse Bauer oder Abenteuer-Golfplatz.

Wir entscheiden uns für einen Gasthof nahe Hamburg mit selbstgebrautem Bier. Nebenan soll es ein Naturbad geben. Die Kühlbox läuft über die Autobatterie, das Frühstück ist komplett. Wir sind unabhängig (so denken wir). Kein Stau auf den Straßen, mein Auto gibt alles. Um 19.00Uhr erreichen wir “Klindworths Hof” in Sauensiek (-Klindworth bezeichnet den Wurtenbauern im Marschland der auf einer Wurt siedelt). Man verweist uns auf den Campingplatz direkt nebenan. Im Heft von “Landvergnügen” ist vermerkt, dass alle Angebote des Gastgebers freiwilliger Art sind. Darunter versteht sich, dass zwar WC und Duschen (wie in der Legende angegeben) nutzbar sind, aber, in diesem Fall, nur für Gäste des Campingplatzes. Für 8€ bekommen wir einen ruhigen Standort mit kuscheliger Hecke. Im Sauensieker Gasthof wird typisch deutsch und deftig gespeist. Schweinerippchen und Burger, Pulled Pork, im Notfall auch ein Salat. Das Bier ist erfrischend mit einer herben Note.

Am nächsten Morgen schlendern wir zum touristischen Höhepunkt der Gegend: dem Gaußturm auf dem Litberg. Keine architektonische Schönheit, dafür ein Stahlgerüst von 25m Höhe mit Blick “bis Meppen”. Das Original des Gaußturms ist der 51m hohe Turm in Jühnde, bei Göttingen. Gauß nutzte diese Bauten für Vermessungsarbeiten im norddeutschen Flachland. Die fehlenden Landschaftserhebungen, zum Anpeilen seiner Ziele, überwand er durch das Aufstellen dieser Türmen. Seiner Vermessungsarbeit wurde bis 2002 auf der Rückseite eines 10DM Scheines gedacht.

Anschliessend laufen wir am Naturbad vorbei. Am Eingang stehend empfängt uns ein älterer Herr der munter drauflos redet. Das Bad sei ein reines Liebhaberprojekt, alle arbeiten ehrenamtlich. Im Wasser, kein Chlor. Das Nass wird durch eine natürliche Kläranlage gefiltert. Voll ist es nicht. Und, wir hätten großes Glück: Heute ist Eröffnungstag nach der Corona-Pause, also auch noch freier Eintritt.

Wir finden einen Platz an der Sonne, neben dem Teich aus dem das begeisterte Quaken der Frösche klingt. Ein ziemlich perfekter Tag, bis jetzt ganz ohne Regen. Wir beschliessen die nächste Nacht in der Gegend zu verbringen und suchen einen neuen Hof für die Übernachtung aus der “Landvergnügen-App” aus. Nur 12km entfernt liegt Hollenstedt und der Wilkenshoff mit Laden und hausgemachten Würstchen.

Idyllisch. Ein weitläufiges Hofgelände mit traditionell reetgedeckten Backsteinhäusern. Das Cafe gehört zum Michelin-Stern gekrönten “Wolfs Junge” in Hamburg. Hier kostet die Spargelsuppe zum Mitnehmen 14€. Ich nehme ein Glas für den Grillabend am Auto mit. BBQ mit exklusiver Note. Danach fahren wir zum Lidl, einkaufen.

Hollenstedt/Ochtumsbruch

Unser Nachtquartier befindet sich 100m entfernt hinter dem Reitstall. Zwischen Traktoren und Koppeln können wir uns einen Platz aussuchen. Es nieselt, die Iren würden es als “soft rain” bezeichnen, nicht der Rede wert. Wir grillen und schlendern anschliessend in den Wald hinein. Absolut traumhafte Gegend. Dem Wald wurde ein gewisser Wildwuschs erlaubt, zwischendurch tauchen immer wieder moor-schwarze Teiche auf. Als wir einschlafen ist es noch warm, deshalb lassen wir die Heckklappe des Autos offen. Nachts prasselt es dann so laut aufs Dach, dass wir aufwachen. In Oldenburg kam es zu Überschwemmungen.

Aussicht am Morgen

Bevor wir am nächsten Morgen nach Hause fahren, laufen wir eine große Runde durchs Dorf und darüber hinaus. Häuser mit riesigen Grundstücken, wir erreichen eine Art Feriendomizil der gut situierten Hamburger. Die Rhododendren blühen meterhoch. Schilder warnen vor dem Zutritt. Es ist menschenleer, aber nicht still. Die Vögel zwitschern was das Zeug hält. Ein Hauseigentümer scheint mehrere Teiche zu besitzen, der Andere liebt die verwirrende Kombination einer Zaunanlage mit besorgniserregenden Inschriften (“Wotan hilf uns”). Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer…wußte schon Goya. Hier scheinen sich Individuen auszuleben. Grundsätzlich eigentlich sympathisch.

Zurück im Lager. Langsam wird es Zeit für die Heimkehr. Wir packen zusammen, steigen beschwingt ins Auto, Thorsten dreht den Zündschlüssel im Schloß und…nichts. Das Ding macht keinen Mucks. Die vielgelobte Kühlbox hat die Batterie leer gesogen! Starterkabel? Nicht vorhanden. Fußgänger sehen uns das Auto schieben. Einer “hat mal hier gewohnt” und sucht ein Kabel, kommt aber ohne zurück. Ich sehe uns schon Stunden später, nach etlichen Kaffees, nach Hause fahren. Tatsächlich dauert es nicht lange und ein paar junge Leute überbrücken “uns”. Wir sind wieder zuhause in der Wesermarsch 😉

PS: (Die Spargelsuppe war lecker. Das Wilkenshoff-Hofcafe ist, nicht billig, aber absolut zu empfehlen. Allein schon wegen der vielen alten Bäume und wirklich fabelhafter Atmosphäre).

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